„Die Freiheit der Ungeimpften endet dort, wo sie die Freiheit der Geimpften beeinträchtigen.“1
Die Debatte um Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin zeigt erneut: Ein Corona-Untersuchungsausschuss ist überfällig.
Kommentar von Volker Rekittke

Am Dienstag, den 15. Juli 2025, veröffentlichte die schwer unter Druck geratene Potsdamer Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf, deren Wahl zur Richterin am Bundesverfassungsgericht zunächst scheiterte, eine Erklärung in eigener Sache2.
Die Bezeichnung ihrer Person als „ultralinks“ oder „linksradikal“ sei „diffamierend und realitätsfern“, so ihre Verteidigungslinie, die Berichterstattung über ihre Positionen zur Reform des Schwangerschaftsabbruchs entbehre „der Tatsachengrundlage“. Kein Wort indes verlor die Verfassungsrechtlerin zu ihrer undatierten (vermutlich Ende 2021 veröffentlichten) Stellungnahme zur allgemeinen Impfpflicht in Deutschland, die bis heute auf der Homepage der Universität Potsdam abrufbar ist.3
In dem Statement konstatiert Brosius-Gersdorf „eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einführung einer Impfpflicht“ und zieht „1G“ (Zugang nur noch für Geboosterte), sowie Bußgelder und den Wegfall der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Ungeimpfte in Betracht.
Wir erinnern uns: Im zweiten Corona-Winter 2021/22 war ein Großteil der Bevölkerung zweimal geimpft, und die Boosterkampagne zur Drittimpfung lief auf Hochtouren. Dennoch sanken die täglichen Todesfallzahlen merkwürdigerweise nicht. Im Gegenteil: Im Dezember 2021 lag die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Übersterblichkeit 22 Prozent über dem Wert der Vorjahre, im November bei 20 Prozent. Das Amt selbst räumte ein: Allein in der Woche 15. bis 21. November 2021 lagen die Sterbefallzahlen um 4.148 (23 Prozent) über dem mittleren Wert der Vorjahre. Beim RKI wurden in dieser Woche 1.656 Covid-19-Todesfälle gemeldet – womit jene, die Corona zugeschrieben wurden, nicht einmal die Hälfte der Übersterblichkeit erklärten. Damals wusste man im Robert-Koch-Institut (RKI) schon längst, dass es massenhaft „Impfdurchbrüche“ gab, dass das öffentliche Lamento von der „Pandemie der Ungeimpften“ aus Sicht der RKI-Experten „fachlich nicht korrekt” war, eben weil ganz augenscheinlich auch viele Geimpfte zur Ausbreitung des Coronavirus beitrugen.
Just in dieser Zeit schrieb Brosius-Gersdorf: „Eine allgemeine Impfpflicht dient dem Ziel, die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung zu schützen, v. a. derjenigen, die geimpft sind (Schutzpflicht des Staates für die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Geimpfte können sich nicht selbst wirksam schützen, weil die Impfung nicht vor Impfdurchbrüchen bewahrt.“ War der Juristin eigentlich klar, dass sie damit den Nutzen der Impfung selbst infrage stellte? Aber es ging noch weiter: „Erkrankungen infolge von Impfdurchbrüchen verlaufen zu einem nicht unerheblichen Teil schwer und machen einen Klinikaufenthalt mit Intensivbehandlung erforderlich. Auch können Folgeschäden eintreten (Long Covid).“ Deshalb, so ihre ins Totalitäre driftende Schlussfolgerung: „Nach unserer Verfassung endet die Freiheit des Einzelnen dort, wo die Freiheit anderer beginnt. D. h., die Freiheit der Ungeimpften endet dort, wo sie die Freiheit der Geimpften beeinträchtigen.“
Die Juristin macht sich also im Vorfeld der Bundestagsentscheidung Anfang April 2022 stark für eine allgemeine Impfpflicht – zumal für eine Impfung mit einer völlig neuartigen Substanz mit unbekanntem Risikoprofil. Diese mRNA-Substanz jedoch, das schreibt sie selbst, schützt Geimpfte nicht einmal vor schweren (!) Corona-Verläufen – und das sogar „zu einem nicht unerheblichen Teil“. Wozu sollte man sich dann überhaupt impfen lassen?
Diese Argumentation ist so unlogisch und damit unwissenschaftlich, dass dringend darüber diskutiert werden muss: Gehört ausgerechnet eine solche Juristin und Professorin ins höchste deutsche Gericht? Ist sie in der Lage, bei strittigen Themen ohne Schaum vor dem Mund die Argumente aller Seiten abzuwägen? Ist sie bereit, sich öffentlich zu korrigieren, ihre offenkundigen Irrwege des Impf-Winters 2021/22 einzugestehen? Das scheint bisher nicht der Fall zu sein. Dabei müsste einer Juristin wie Brosius-Gersdorf inzwischen klargeworden sein, dass die Debatte um die allgemeine Impfpflicht das Land zerrissen hat, wie kaum ein Thema zuvor.
Zahlreiche Kritiker finden daher, dass die von der SPD nominierte Kandidatin für den Job am Bundesverfassungsgericht denkbar ungeeignet ist. Eine von ihnen ist die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig. Gegenüber dem „Stern“ wies sie darauf hin, dass alle Bürger, alle Politiker, Richter und auch Verfassungsrechtler die Möglichkeit hätten, „sich die Ausführungen des Ehepaars Gersdorf mit dem Titel ‚Allgemeine Impfpflicht gegen COVID-19-Virus verstößt nicht gegen die Verfassung‘ auf der Webseite der Universität Potsdam anzusehen und sich ihr Urteil selbst zu bilden.“ 4
Wie etliche Kollegen im Bundestag setzt sich Ludwig für einen Untersuchungsausschuss statt der beschlossenen Enquete-Kommission ein. Einer der Beweggründe dafür ist, die Verstrickungen des Bundesverfassungsgerichts mit der Bundesregierung in der Pandemie zu durchleuchten – Stichwort: „Corona-Dinner“ im Kanzleramt im Juni 2021
Der ehemalige BSW-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko hatte 2024 maßgeblich an einem Antrag für einen Corona-Untersuchungsausschuss mitgearbeitet, der an alle Abgeordneten verschickt worden war. Vereinzelt gab es seinerzeit auch aus der CDU positive Signale. Hunko sagt zur aktuellen Diskussion: „Gäbe es ansatzweise eine ernsthafte Corona-Aufarbeitung in Deutschland, würde niemand Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin vorschlagen.“
Übrigens hätten spätestens bei Brosius-Gersdorfs Angriff auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht nur die Genossen bei SPD und Linken, sondern vor allem die Gewerkschaften Sturm laufen müssen. Auch Verdi, IG Metall & Co. haben noch viel Aufarbeitung vor sich – aber das nur am Rande.
Am Mittwoch, den 16. Juli 2025, nun verkündete SPD-Chef Lars Klingbeil, dass seine Partei an der Juristin Brosius-Gersdorf als Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht festhält.5
Die aktuelle Debatte zeigt erneut: Der Corona-Untersuchungsausschuss im Bundestag ist überfällig.6 Eine Enquete-Kommission reicht nicht.
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