Freispruch für Ballweg – politisches Verfahren?
Am Landgericht Stuttgart wurde heute das Urteil im Fall Michael Ballweg, dem Gründer der Gruppe „Querdenken 711”, gefällt: Freispruch im Betrugsvorwurf und Ermahnung bezüglich der Steuerhinterziehung. Ballweg war angeklagt worden, weil er über 500.000 Euro an Schenkungen seiner Unterstützer für private Zwecke verwendet und zudem Steuerhinterziehung begangen haben sollte. Während des Prozesses zeigte sich unter anderem: Wahrscheinlich schuldet nicht er dem Finanzamt Geld, sondern umgekehrt. Claudia Jaworski hat den Prozess verfolgt. Ein Kommentar.

Verurteilungswille
Es ist wohl das erste Mammutverfahren mit einem Corona-Maßnahmen-Kritiker auf der Anklagebank, in welchem sich schon sehr früh ein Freispruch abzeichnete.
Tatsächlich bestätigte sich der rechtliche Hinweis der Kammer vom 12. März 2025, dass ein “Nachweis für den Tatenschluss” fehlte. Man brauche äußere Tatsachen, um auf einen inneren geheimen Vorbehalt schließen zu können, Spenden bzw. Schenkungen vorsätzlich zweckfremd verwenden zu wollen, so die Kammer. Im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Hinweis, wurde zudem der bis dahin federführende Staatsanwalt Dr. Christian Schnabel1, Mitglied der Regierungspartei Die Grünen, ersetzt. Anfang Juli 2025 zeigte sich dann: Ballweg schuldet dem Finanzamt offensichtlich nicht Geld. Ihm steht vielmehr möglicherweise eine Rückerstattung in Höhe von rund 200.000 Euro zu. Das ging aus einer Hochrechnung hervor, die das zuständige Finanzamt auf Anweisung des Landgerichts Stuttgart im Zuge des dort verhandelten Strafverfahrens erstellt hatte, berichtete die Stuttgarter Zeitung.[2]Wenn alles auf einen Freispruch hindeutete und die Kammer sogar Haftentschädigung vorschlug, warum forderte die Staatsanwaltschaft dann in ihren Plädoyers drei Jahre Haft? Das Landgericht hatte bereits im Frühjahr eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 vorgeschlagen, woher kam also dieser Verurteilungswille?
Vorschlag zur Einstellung des Verfahrens abgelehnt
Noch am 17. Juli 2025 war die Staatsanwaltschaft bereit gewesen, sich auf den Vorschlag der Kammer einzulassen, den Prozess einzustellen. Das allerdings wäre an einen „realistischen Vorschlag“, gekoppelt gewesen, so die Staatsanwältin. Man vermutete unter Juristen darunter einen fünfstelligen Bereich. Den Vorschlag der Richterin auf Haftentschädigung lehnte die Staatsanwältin Franziska Graefe ab. Ihr Kollege Niklas Eisele hängte noch an, dass ein Freispruch „nicht das Ende des Weges“ sei. Spätestens vor dem Bundesgerichtshof werde es „Ballweg noch teurer zu stehen kommen“. Die Verteidiger Ralf Ludwig, Reinhard Löffler, Gregor Samimi und Hans Böhme forderten jedoch einen Freispruch.
Staatsanwaltschaft wirft Verteidigern “Verbreitung von Verschwörungstheorien” vor
Während die Staatsanwaltschaft am 17. Juli 2025 noch verhalten war, verlor sie am Tag der Plädoyers die Contenance. Gleich in den ersten Sätzen griff sie die Verteidigung und den Angeklagten offen an. Es fielen Sätze wie: „Dies ist kein politisches Verfahren. (…) In Deutschland gibt es kein Gesinnungsstrafrecht (…), und “die Verteidigung lässt sich für die Verbreitung von Verschwörungstheorien instrumentalisieren“, wie etwa über geheime Vorbesprechungen, Geheimakten und Geheimanrufe. Weiter hieß es seitens der Staatsanwaltschaft: “Der Angeklagte und seine Verteidiger (haben) gezielt Misstrauen an der Integrität der Ermittler sähen wollen. (…) Aber nicht die Ermittler stünden hier vor Gericht, sondern der Angeklagte“.
Rechtsanwalt Ludwig hielt diesem Vortrag entgegen, es sei die Staatsanwaltschaft selbst, die mit diesem Plädoyer als Erste hier von einem politischen Verfahren spreche. “Bis dahin war es ein rein juristisches Verfahren, bei dem die Verteidigung alle politischen Implikationen bewusst vermieden hat und in welchem die Kammer jedes Kieselsteinchen einzeln umgedreht hat, zu jedem Zeitpunkt“, so Ludwig. Das Gericht habe hier ausgesprochen sachlich und sauber gearbeitet.
Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass es gar nicht zum Verfahren gekommen wäre, wenn die Staatsanwaltschaft in dem Umfang ermittelt hätte, wie es das Gericht aktuell getan hat. Jede Staatsanwaltschaft hat die Pflicht, auch Entlastendes zu ermitteln.
Anzeichen politischer Einflussnahme
Gibt es einen Anlass, an der Integrität der Ermittler zu zweifeln?
De facto lassen sich verschiedene Anzeichen ausmachen, die auf eine politische Einflussnahme hindeuten. Da ist zum einen der Staatsanwalt, der längere Zeit gegen Ballweg ermittelte: Christian Schnabel ist Mitglied der Grünen und damit jener Regierungspartei, deren Vorsitzender Winfried Kretschmann die Ungeimpften als „Träger der Pandemie“[3] bezeichnet hat. Nach Medienberichten über die Kandidatur Schnabels für eine Kommunalwahl während seiner Ermittlungen gegen Ballweg, wurde der Jurist am 12. März 2025 von diesem Fall abgezogen.[4] Siehe Artikel: Katharina Schulze, Danyal Bayaz und der Fall Ballweg).
In Rechtsanwaltskreisen heißt es, es laufe aktuell ein Verfahren gegen das Portal Nius, weil es über das plötzliche Absetzen des Staatsanwaltes berichtet hatte. Nius schrieb: “Grüner Staatsanwalt im Ballweg-Prozess verschwunden!”[5]
Zum anderen stellte sich heraus, dass sich auf der Akte des Falls nicht nur wiederkehrende Ausdrücke wie „staatsschutzrelevant“ und „Gründer der Querdenken-Initiative“ befanden. Bei eine Befragung durch Rechtsanwalt Ludwig zu einer Mail vom Finanzministerium bestätigte auch der Finanzbeamten G.[6] dass hier ein „besonderer politischer Fall“ vorliege.
Vermerk “staatsschutzrelevant”
Laut Rechtsanwalt Ludwig begann alles mit Geldwäsche-Vorwürfen. Sie brachten Michael Ballweg in die Untersuchungshaft, wurden aber weder vom Landgericht noch vom Oberlandesgericht Stuttgart als Strafvorwurf zugelassen. So bestätigte der Finanzermittler des Landeskriminalamts in der Einvernahme, dass es bei dem Geldwäscheverdacht keine rechtswidrige Vortat gab. Auf der Akte habe jedoch „staatsschutzrelevant“ gestanden, was offensichtlich ausreichte, um die Ermittlungen weiterzuführen. Da alles mit den Geldwäsche-Verdachtsmeldungen begann, geht die Verteidigung davon aus, dass die Staatsanwaltschaft im Nachhinein diesen Vorwurf des Betrugs an den Schenkern für Querdenken konstruiert hat. Durch dieses Konstrukt ergab sich – so die Annahme der Verteidigung – eine rechtswidrige Vortat, mit der sich die Transaktionen in einen Geldwäscheverdacht überführen ließen. Diese wiederum wurde in der Folge als Rechtfertigung für eine Hausdurchsuchung und das gesamte weitere Verfahren herangezogen.
Kündigung des Kontos aus Angst vor "Imageschäden"
Auch der Vorstand der Volksbank Stuttgart, Herr Armin Hornung, bestätigte, dass das besondere Vorkommnis, das Anlass für die Geldwäsche-Meldungen war, von den Mitarbeitern der Bank mit „Gründer der Querdenken-Initiative“ bezeichnet wurde. Er räumte ferner ein, dass der Grund für die Kündigung des Kontos der drohende Imageschaden gewesen sei.
Rolle der Medien
Noch bevor es ein Strafverfahren gab, spielten einige Medien in diesem Verfahren eine maßgebliche Rolle. Denn alles begann mit einer Strafanzeige. Diese Anzeige, die dem Onlinemagazin „netzpolitik.org“7 und dem ZDF Magazin Royale8 unter Jan Böhmermann zugeleitet worden war, nahmen diese Redaktionen zum Anlass, beim Finanzamt bzgl. dieser Strafanzeige nachzuhaken und einen entsprechenden Artikel zu veröffentlichen bzw. Böhmermann forderte Michael Ballweg in seiner Sendung Magazin Royale auf: “Das Finanzamt Stuttgart II lässt ausrichten: du sollst bitte zurückrufen, dringend, es geht um was Ernstes.“ Von da an nahmen die Ereignisse ihren Lauf. Im Berliner Tagesspiegel heißt es seitens Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org: „Wir haben schon länger über Querdenken recherchiert und im Sommer und Herbst Recherchen veröffentlicht. Die Redaktion von ,ZDF Magazin Royale’ hatte uns angefragt, ob wir uns generell eine journalistische Kooperation vorstellen können. Wir haben Ballweg als Thema vorgeschlagen, weil wir das noch vertiefen wollten.“9
Freispruch für Ballweg
Das Urteil lautete: Freispruch im Betrugsvorwurf und Ermahnung bezüglich der Steuerhinterziehung.
Der Medienandrang in diesem Prozess war sehr groß, im Publikum saßen ca. 160 Zuschauer.
Die Strafkammer konnte sich letzendlich nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte den Entschluss gefasst hatte, das erhaltene Geld nicht für „Querdenken“ zu verwenden. Sie konnte bei keiner der einzelnen Transaktionen eine privatnützige Verwendung feststellen.
Das Politische dieses Verfahrens wurde nicht von der Verteidigung initiiert. Vielmehr wurden die politischen Zusammenhänge, die sich bei Staatsanwaltschaft und baden-württembergischer Landesregierung im Hintergrund abspielten, durch die akribische Ermittlungstätigkeit des Gerichts sichtbar.
Noch bedeutender ist wohl der Umstand, dass mit dem heutigen Urteil dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ in einem Strafverfahren wieder der Platz eingeräumt wurde, der ihm zusteht.
Quellen
- 1connections.news
- 2https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.prozess
- 3https://www.zeit.de/news/2021-09/03/kretschmann
- 4https://apollo-news.net/staatsanwalt
- 5https://www.nius.de/politik/news/
- 6https://overton-magazin.de/hintergrund/
- 7https://netzpolitik.org/2020/
- 8https://youtu.be/n-aJ_O98Szc?t=1136&ref=apolut.net
- 9https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/jan-bohmermann