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Meinungsfreiheit

INSA-Umfrage: Auch Grünen-Wähler sehen Einschränkung bei Meinungsfreiheit

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist „eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“. Es sei „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft und im gewissen Sinn „die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“, so ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1958. Doch wie steht es aktuell um die Meinungsfreiheit im „besten Deutschland aller Zeiten, das es jemals gegeben hat“, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Oktober 2020 – mitten in der Corona-Zeit – sagte?[1]

Meinungsfreiheit in Gefahr
Meinungsfreiheit wird immer mehr eingeschränkt (@ Adobe Stock/Karen)

Bundesverfassungsgericht 1958

In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 1958 steht, die Meinungsfreiheit sei „in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“.

Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist (das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung) schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist.[2]

Grünen-Wähler laut Umfrage kaum eingeschränkt

Nach einer aktuellen Umfrage der INSA-Stiftung glauben 84 Prozent der Befragten, dass es Personen gibt, die ihre Meinung nicht äußern, weil sie Angst vor Konsequenzen haben.[3] Nur jeder Elfte (neun Prozent) glaube das nicht. Zuletzt hatte INSA die Frage vor acht Monaten gestellt. Seither sei die Zahl derer, die glauben, manche äußerten ihre Meinung aus Angst vor Konsequenzen nicht, um sechs Prozentpunkte gestiegen.

Auffällig daran: Auch unter Wählern von Bündnis90/Die Grünen herrscht inzwischen Skepsis bezüglich der Meinungsfreiheit. Mehr als drei Viertel von ihnen (77 Prozent) glauben, dass einige Menschen in Deutschland nicht wagen, ihre wahren Ansichten über bestimmte Themen preiszugeben.

Sich selbst halten Grünen-Wähler der Umfrage zufolge für deutlich weniger eingeschränkt. Das zeigte sich, als INSA die Frage direkt stellte. Nur vier von zehn Befragten (41 Prozent) unter den Grünen-Wählern gaben an, dass sie schon einmal ein Erlebnis hatten, in welchem sie das Gefühl hatten, ihre Meinung nicht frei äußern zu können. Ähnlich niedrig liegt der Wert bei Wählern der SPD (42 Prozent).

Beide Wähler-Gruppen nehmen demnach wahr, dass der Meinungskorridor weniger für sie als für einen erheblichen Teil anderer Bürger in Deutschland eingeschränkt ist: jenen nämlich, die grüne und linke Narrative oder Politiker infrage stellen.

Zahlreiche Instrumente zur Aushöhlung der Meinungsfreiheit

Kritiker wie die ehemalige CDU-Politikerin Vera Lengsfeld sehen seit längerem Anzeichen einer schleichenden Einschränkung der Meinungsfreiheit.[4] Fest steht, dass die Palette der Instrumente und Sanktionen immer größer geworden ist. Auch und gerade in der Zeit der Ampel-Regierung unter SPD, Grünen und FDP. Sie reicht von der Erfindung und Einführung eines neuen sogenannten Phänomenbereiche wie der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ durch die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Jahr 2022, über die Einrichtung staatlicher Meldestellen wie „Hessen gegen Hetze“ im Januar 2020 bis hin zur Etablierung staatlich geförderter „Trusted Flagger“ durch die Bundesnetzagentur. Auftrag dieser „vertrauenswürdigen Hinweisgeber“ soll es sein, gegen „Hass und Hetze“ und „Desinformation“ vorzugehen.[5],[6],[7] „Trusted Flagger“ wurden durch den Digital Services Act ins Leben gerufen. Die Bundesnetzagentur ist als Behörde für die nationale Umsetzung des DSA zuständig.

Offiziell zugelassene Trusted Flagger sind unter anderem die 2017 gegründete und vom Bundesfamilienministerium geförderte Meldestelle „REspect!“ der Jugendstiftung Baden-Württemberg und die von „Campact“ und „Fearless Democracy“ initiierten „HateAid gGmbH“.[8],[9],[10]

Digital Services Act (DSA) – „brandgefährliches Instrument“

Am 17. Februar 2024 trat der sogenannte Digital Services Act (DSA) in Deutschland in Kraft. Diese neuen Vorschriften der Europäischen Union wurden ins Leben gerufen, um „für mehr Fairness und Sicherheit in der Online-Welt“ zu sorgen. „Sie zielen darauf ab, die Menge illegaler Online-Inhalte und -Produkte zu verringern, Risiken für Kinder und Jugendliche (wie Cybermobbing) zu mindern“.[11] Für Manfred Kölsch, ehemaliger Vorsitzender Richter am Landgericht Trier, ist der DSA „ein brandgefährliches Instrument“.[12] Es ermögliche Regierungen und der EU-Kommission, „Debatten zu lenken und unliebsame, jedoch nicht rechtswidrige Meinungen zu zensieren“.

Mit dem DSA werde „die Axt an fundamentale Grundsätze unseres demokratischen Gemeinwesens gelegt“, so Kölsch. Denn Plattformbetreiber würden dadurch nicht nur verpflichtet, rechtswidrige Einträge zu löschen. Sie sollen auch verhindern, dass „irreführende und täuschende Inhalte, einschließlich Desinformationen“ verbreitet werden. Anfang 2025 wurde von der Europäischen Kommission und dem europäischen Gremium für digitale Dienste die Aufnahme des „Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation“[13] im Rahmen des DSA gebilligt. Zu dem Begriff Desinformation existiert nun ein viergliedriger Definitionsbegriff. „Danach ist zum Beispiel auch jede bloße Fehlinformation, die ohne böswillige Absicht verbreitet wird, Desinformation“, so Rechtsanwalt Jan Ristau gegenüber Connections.news.

§ 188 StGB: „Politiker- oder Majestätsbeleidigung“

Von einem weiteren, erst 2021 und mitten in der Corona-Zeit veränderten Paragraphen haben besonders oft Politiker der Grünen Gebrauch gemacht: § 188. Bis 2021 lautete § 188 „Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens“. 2021 wurde verändert zu: „§ 188 Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung, im Volksmund auch Politiker- oder Majestätsbeleidigung genannt.[14]

§ 194 Strafantrag
In den Fällen der §§ 188 und 192a wird die Tat auch dann verfolgt, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.[15]

„Ab jetzt können Polizei und Justiz sehr viel entschiedener gegen menschenverachtende Hetze vorgehen“, teilte die damalige Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) mit.[16] „Wir erhöhen die Abschreckung und den Ermittlungsdruck deutlich. Wer hetzt und droht, muss mit Anklagen und Verurteilungen rechnen. Ab sofort drohen bei Beleidigungen im Netz, § 188 StGB, bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.

So done: „Du hast Hassnachrichten bekommen? Wir helfen dir!“

Eine junge FDP-Politikerin hat aus der Suche nach unliebsamen Kommentaren im Internet ein Geschäftsmodell gemacht.[17] Der Kundenkreis der von ihr und zwei weiteren Mitstreitern gegründeten Firma „So done“[18] umfasste bereits den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), und die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

Der berühmteste Kunde war allerdings der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Bis November 2024 hatte er bereits mehr als 800 Anzeigen gestellt. Damit war er Spitzenreiter der damaligen Ampel-Regierung. Seine Parteikollegin, Ex-Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), hatte es auf rund 500 Anzeigen gebracht.

Um welche Art von Vergehen sich Politiker wie Habeck mit ihren Anzeigen kümmern, zeigt der Fall des Rentners Stefan Niehoff. Sein Fehler: Er hatte gewagt, auf der Plattform X (ehemals Twitter) ein Bild (Meme) zu retweeten, auf dem ein Foto von Habeck und die Worte „Schwachkopf PROFESSIONAL“ zu sehen waren. Kurz darauf wurde ein Durchsuchungsbefehl des Amtsgerichts Bamberg vollstreckt – wegen „Politikerbeleidigung“. Niehoff habe das Bild veröffentlicht, um Robert Habeck „generell zu diffamieren“ und ihm „sein Wirken als Mitglied der Bundesregierung zu erschweren“. Die Folge für Niehoff: Hausdurchsuchung morgens um 6 Uhr, Beschlagnahmung seines Tablets.

Verdacht der Volksverhetzung?

Längst ist von diesem Vorwurf keine Rede mehr. Die Ermittlungen wurden laut Staatsanwaltschaft „vorläufig eingestellt“. Doch die Staatsanwaltschaft gab keine Ruhe – und ging kurze Zeit später erneut gegen Niehoff vor – dieses Mal wegen des Verdachts der „Volksverhetzung“. Im Juni 2025 verurteilte das Amtsgericht Haßfurt den Rentner wegen des Verwendens von „Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen in vier Fällen schuldig“.[19]

Ex-Oberstaatsanwältin in Bamberg auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU-Fraktion

Bemerkenswert an diesem Fall ist auch der institutionelle Hintergrund, über den zuerst das Nachrichtenportal Apollo News berichtete:[20] Das Amtsgericht Haßfurt wird seit Februar 2025 von der Juristin Ursula Redler geleitet. Bis Ende Januar war sie Oberstaatsanwältin in Bamberg. In dieser Funktion beaufsichtigte sie die Ermittler, die nicht nur die „Schwachkopf“-Razzia gegen Niehoff erwirkten, sondern auch am 30. Januar 2025 den neuen Strafbefehl am Amtsgericht Haßfurt beantragten. Kurz darauf, als Redler bereits Direktorin am Amtsgericht Haßfurt war, segnete dieses den Strafantrag ab.

Redler ist auch politisch aktiv. So ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU-Fraktion im Bamberger Stadtrat.[21] 2020 kandidierte sie für das Amt des Oberbürgermeisters.[22] Ohne Erfolg. Sie erhielt 6,9 Prozent der Stimmen.

Möglicherweise sollten Politiker wie Habeck und Juristen wie Redler einen Blick in einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 1995 werfen. Dort steht, heute bekannt unter dem Begriff „Chilling Effect“:

Desgleichen verbietet Art. 5 Abs.1 Satz 1 GG eine Auslegung der §§ 185 ff. StGB, von der ein abschreckender Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts ausgeht, der dazu führt, daß aus Furcht vor Sanktionen auch zulässige Kritik unterbleibt.[23]

Meinungsfreiheit in Gefahr

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