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Quo vadis, Europa?

Keine Krise ungenutzt lassen, oder: „Ihre Papiere, bitte!“

Das Digitale Covid-Zertifikat – die „digitale Lösung“ der EU-Kommission zur angeblichen Eindämmung der Corona-Pandemie – wird uns EU-Bürgern noch lange erhalten bleiben – die WHO hat das Prinzip freudig und nahtlos übernommen. Doch was uns als „Erleichterung der sicheren Freizügigkeit“ verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Instrument der Überwachung und ermöglicht WHO und EU den Zugriff auf unser aller Gesundheitsdaten. Teil 1 der Reihe „Quo vadis, Europa?“

Eine Kommentar-Reihe von Gastautor Stephan Sander-Faes

digitales Covid-Zertifikat
EU Überwachung durch digitales Covid-Zertifikat

(@ Adobe Stock / oxinoxi & peterschreiber.media)

Digitales Covid-Zertifikat „zur Erleichterung der sicheren Freizügigkeit“

Im Sommer 2021 führten die Gesundheitsbehörden in der gesamten EU, der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) und im Schengen-Raum schrittweise und unter verschiedenen Namen ein „digitales Covid-Zertifikat zur Erleichterung der sicheren Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie“[1] ein. Während die Brüsseler Verwaltung und deren begeisterte Gefolgsleute in „der Wissenschaft“ und in den Leitmedien am 1. Juli 2023 feierten,[2] dass die Weltgesundheitsorganisation den sogenannten Grünen Pass endgültig übernahm, blieben viele der damit ursächlich verbundenen  – Kollateralschäden – außen vor: Diese reichten Zugangsbeschränkungen, die von einem vermeintlichen „Impfstatus“ abhängig gemacht wurden bis hin zu offener Diskriminierung,[3] sei es durch das „Verbot der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für ungeimpfte Italiener“[4] oder aber der „Ausschluss von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel“[5] im Jahr 2022, um nur ein paar Beispiele aus Italien zu nennen.

Fehlerkultur unbekannt

In einer an George Orwell erinnernden Verzerrung der Realität wurde keines der später von den Gesundheitsbehörden zugegebenen Probleme angesprochen oder auch nur ein Funken politischer Verantwortlichkeit gezeigt, bis heute.

Am prominentesten war das Eingeständnis der Pfizer-Managerin Janine Small, dass die hauptsächlich verwendeten modRNA-Injektionen die Übertragung gar nicht verhindern.[6] Emer Cooke,[7] die Leiterin der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) legte schriftlich dar, dass „bisher kein Sicherheitssignal für eine erhöhte Sterblichkeit bei einem der zugelassenen COVID-19-Impfstoffe identifiziert wurde“ (Stand: 20. April 2023). Bis heute vertritt die EU die Haltung, man habe alles richtig gemacht, wiewohl etwa das Deutsche Ärzteblatt – hier als pars pro toto genannt – bereits im Mai 2022 schrieb: „Deutschland bescheinigte die WHO trotz strenger Lockdowns eine höhere Übersterblichkeit“ als manchen Nachbarländern.[8] Das Thema ist, wie etwa ein aktueller Betrag im norwegischen Staatsfunk NRK zeigt, hochaktuell: allein in Norwegen liegt die Übersterblichkeit 2020-2024 deutlich höher als beispielsweise während der fünfjährigen deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg zu beklagen waren, so die übersetzte Formulierung.[9]

Von EU-Ebene zur Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Als die befristete Verordnung über den „Grünen Pass“ der EU am 30. Juni 2023 auslief, übernahm die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 1. Juli 2023 das EU-System der digitalen COVID-19-Zertifikate. Es ging darum, ein nunmehr „globales System zum weltweiten Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor aktuellen und künftigen Gesundheitsbedrohungen (z. B. Pandemien) zu errichten.“[10] Mit anderen Worten: Was in der EU geschah, blieb nicht in der EU.

Vielmehr haben sowohl die EU als auch die WHO den Nutzen eines solchen Systems für sich erkannt – wie es das neu gegründete „Global Digital Health Certification Network“ (GDHCN, Globales Digitales Gesundheits-Zertifizierungs-Netzwerk)[11] festhält:

Es besteht die Erkenntnis, dass eine Lücke und weiterhin Bedarf an einem globalen Mechanismus besteht, der die bilaterale Überprüfung der Herkunft von Gesundheitsdokumenten für die Pandemievorsorge und die Kontinuität der Versorgung unterstützen kann.[12]

Diese vermeintlich Orwell entnommene Sprachakrobatik beschränkt sich jedoch nicht auf diese Standardformulierung, bekannt aus Privatwirtschaft und (Nicht-) Regierungsorganisationen.

"Quo vadis, Europa?"

Kommentar-Reihe von Gastautor Stephan Sander-Faes.
Einst bedeutete „Europa“ Frieden, Wohlstand und die Verbesserung des Lebens. Nun aber verwandelt sich der von Brüssel geführte Block jedoch zur Unkenntlichkeit. Angesichts von Akteuren mit zweifelhaftem Ruf wie der Kommissionspräsidentin der Europäischen Union (EU) Ursula von der Leyen, sowie eingedenk der grassierenden Korruption im EU-Parlament[2], wird der vorgebliche „europäische Traum“ vor unseren Augen zu einem Albtraum.

Weitere Artikel aus der Reihe:

„Global Digital Health Certification Network“

Zu den zentralen „Vorteilen“ der Weitergabe persönlicher medizinischer Daten an die WHO zählen vorgeblich die „Erlangung der Kontrolle über die eigenen Gesundheitsinformationen“ (nota bene durch das Teilen digitalisierter Informationen), die „leichtere Überprüfung von Gesundheitsakten durch Gesundheitsdienstleister“ und – was angesichts der Erfahrungen mit den Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit während der sogenannten Pandemie bedenkenswert ist – „die Bereitstellung von Standards und Mechanismen zur Ausstellung und Überprüfung der Zuordnung von Akten zu autorisierten Institutionen“. Mit anderen Worten: Behörden können die Zugriffsregeln jederzeit ändern.

Gerne können Sie sich selbst einen Überblick zu der jüngsten Übung der WHO „Polaris“[13] verschaffen. IFLScience.com schreibt:

Die Übung war der erste Test für einen neuen globalen Koordinierungs-mechanismus zur Bewältigung von Gesundheitsnotfällen und simulierte den Ausbruch einer fiktiven Viruserkrankung.[14]

Während die EU die „Notstandsphase“ der letzten von der WHO ausgerufenen „Pandemie“ Ende April 2022 beendete, befürwortete Kommissionschefin Ursula von der Leyen den „Übergang vom Notfallmodus zu einem nachhaltigeren Management“, wie Politico[15] damals berichtete. Infolgedessen stimmten die EU-Institutionen der Verlängerung des digitalen COVID-Zertifikats[16] um ein weiteres Jahr bis zum 30. Juni 2023 zu. Bereits am darauffolgenden Tag trat dann die neue Vereinbarung der EU mit der WHO in Kraft. Der Rest ist, so das alte Sprichwort, Geschichte.

An dieser Stelle möchte ich noch Stella Kyriakides zu Wort kommen lassen, die seit 2019 EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist und die diesen Zustand wie folgt beschrieben hat:

„Indem wir bewährte europäische Verfahren anwenden, tragen wir zu digitalen Gesundheitsstandards und zur Interoperabilität weltweit bei (…) ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eine Abstimmung zwischen der EU und der WHO zu einer besseren Gesundheit für alle in der EU und weltweit führen kann.“[17]

Wachsende Zusammenarbeit zwischen EU und WHO

Es versteht sich von selbst, dass die „Zusammenarbeit zwischen WHO/Europa und der EU mehr als nur politisch und technisch ist“, wie der zuständige WHO-Regionaldirektor für Europa, Dr. Hans Kluge diese im Februar 2024 bezeichnete.[18] Sie umfasst auch eine „wachsende finanzielle Zusammenarbeit“ und „gemeinsame Werte“, die vorgeblich „unsere Zusammenarbeit vorantreiben“. Wie die aktuelle Aufstellung der WHO-Beiträge[19] ausweist, so fällt auf, dass etwa der Beitrag der EU-Kommission höher als der der USA ist, und wenn man die Gelder einzelner europäischer Staaten berücksichtigt, so stellen die „europäischen“ Beiträge die zusammen größte Finanzquelle – und somit auch Einflussmöglichkeiten – dar.

Evidenz als Grundlage für EU-Entscheidungsfindung?

Was auch immer man über den „Grünen Pass“ denken mag, dieses Instrument der evidenzfreien Bevölkerungskontrolle – die Impfung wurde nie auf Vermeidung von Übertragung bzw. Infektion kontrolliert und daher ist eine auf „Impfstatus“ basierende Kontrolle unmöglich – und der Zutrittsverweigerung aufgrund irgendeines „Impfstatus“ bleibt uns erhalten. Wie bereits erwähnt: Die „digitale Lösung“ der EU-Kommission zur angeblichen Eindämmung der Corona-Pandemie wurde durch die WHO nahtlos übernommen. Kurz gesagt – und mit Verweis auf die zugrunde liegenden finanziellen Verflechtungen zwischen Staaten, Stiftungen wie der Impfallianz GAVI oder der Gates Foundation mit der Weltgesundheitsorganisation – und die daraus resultierenden Anreize der Bevorzugung europäischer Lösungen (z.B. Malaria-Impfstoffe[20] mit zweifelhafter Wirksamkeit und problematischem Sicherheitsprofil[21]) – gäbe es auf der Website der EU einen eigenen Eintrag mit dem Titel „Mission Creep“[22] – womit die schrittweise Ausweitung einer (US-) Intervention über ihren ursprünglichen Aufgabenbereich hinaus gemeint ist –, so fände sich wohl kaum ein passenderes Beispiel.

Und auch wenn man womöglich dachte, die Gesundheitsbürokraten seien von der „normativen Kraft des Faktischen“ (Georg Jellinek) eines Besseren belehrt worden, so zeigt diese Episode doch eindeutig, dass Erfahrung und Evidenz für die Entscheidungsfindung der EU wenig oder gar keine Rolle spielen.

Autor

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Stephan Sander-Faes ist Historiker, Assoc. Professor für Geschichte an der Universität Bergen in Norwegen sowie Privatzdozent an der Universität Zürich. Er forscht und lehrt zur Geschichte (Ostmittel-) Europas in der Neuzeit.

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