„Wie der Staat die Demokratie aushöhlt“: Faktenchecker
„Meinungsfreiheit in Gefahr! Wie der Staat die Demokratie aushöhlt“, so lautet der Titel des Sachbuchs von Rechtsanwalt Jan Ristau, das 2024 erschienen ist.[1] In unserem zweitem Interview mit Ristau zu seinem Buch geht es um die Hüter der Fakten.
Folge 2: Faktenchecker

Faktenchecker irren sich häufig, und unterscheiden sich von anderen Meinungsinhabern lediglich durch die Anmaßung, sie seien dazu berufen (…) über Wahr oder Unwahr befinden zu dürfen. Verliehen hat ihnen diese Macht allerdings niemand anders als sie selbst.
Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, Buch: „Die digitale Bevormundung“[2]
Definition Faktenchecker
Herr Ristau, Faktenchecker sind offiziell diejenigen, die zwischen richtig und falsch, bzw. Falschmeldung und tatsächlichen Fakten unterscheiden sollen und somit den User/Leser vor falschen Informationen schützen. Richtig?
Jan Ristau:
„Das ist zumindest das, was mit dem Wort „Faktencheck“ suggeriert wird. Jedoch können Faktenchecker genauso gut oder schlecht wie jeder andere unterscheiden, was richtig oder falsch ist. Gleichzeitig empfiehlt die Bundesregierung ausdrücklich Faktenchecker, um Falschnachrichten erkennen zu können. Damit erlangen Faktenchecker tatsächlich in gewisser Weise einen offiziellen Anstrich. Zudem erhalten Faktenchecker wie zum Beispiel Correctiv Steuergelder in nicht unerheblicher Höhe. Damit einher geht die Gefahr, dass Faktenchecker im Sinne der Regierung auf den Willens- und Meinungsbildungsprozess des Volkes einwirken. Ein Beispiel: in der Corona-Zeit haben sich Faktenchecker regelmäßig mit Vertretern der Bundesregierung getroffen. Dabei sei über die Bekämpfung von Desinformation gesprochen worden. Ganz merkwürdig wird es dann, wenn mehrere Ministerien damals mitteilten, dass es teilweise derartige Treffen nicht gegeben haben soll. Das Gegenteil kam aber später ans Licht, so dass hier der Staat selbst Desinformation verbreitet hat.“
Eigene Meinung "getarnt als Faktencheck"
Faktenchecker erheben den Anspruch auf Neutralität und erhöhter Kompetenz. Allerdings ist schon das Wort Faktencheck problematisch, wie Sie in Ihrem Buch schreiben und wie es auch u.a. das Oberlandesgericht Karlsruhe sieht, warum?
Jan Ristau:
„Das Wort Faktencheck deutet darauf hin, dass es bei der Arbeit der Faktenchecker ausschließlich oder hauptsächlich um die Überprüfung von Tatsachenbehauptungen geht. Das ist aber oft nicht der Fall, so wie in einem Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe. Hier wurde Correctiv erfolgreich verklagt, weil Correctiv von „Fact Check“ sowie von „Behauptung teilweise falsch“[3] gesprochen hat, obwohl es sich insgesamt letztendlich um die Bewertung einer Meinung handelte. Das Gericht stellte sogar fest, dass es noch nicht einmal ersichtlich war noch vorgetragen wurde, dass die Äußerung, um die es ging, unwahre Tatsachenbehauptungen enthielt.[4]
Prof. Dr. Alexander Peukert, Professor für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, sagte zu diesem Fall: „Zugespitzt formuliert könnte man von einer als Faktencheck getarnten Meinung sprechen.“[5] Darüber hinaus sagte er, dass der Begriff „Faktencheck“ prinzipiell zur Täuschung geeignet ist, soweit nicht nur dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen überprüft werden, sondern eine umfassende Bewertung eines journalistischen Inhalts vorgenommen werde. Die Faktenchecker verwischen die Grenzen zwischen der Überprüfung von Meinungen und von Tatsachenbehauptungen sowie der Verbreitung eigener Inhalte unter der Überschrift Faktencheck. Zum Beispiel finden sich in der Rubrik „Faktencheck“ von Correctiv auch Hintergrundartikel zu verschiedenen Themen. In diesen geht es nicht so sehr um das Überprüfen von Tatsachenbehauptungen, sondern um die Verbreitung eigener Inhalte und Meinungen. Genauso macht es der Faktenfinder der Tagesschau mit seiner Rubrik „Kontext“ unter der Überschrift „Faktenfinder“. Dort gibt es einen Artikel mit dem Titel „Meinungsfreiheit durch Koalitionsvertrag gefährdet?“.[6] Es folgen dann Ausführungen dazu, dass das wohl eher nicht so ist. Einen ähnlichen Artikel findet man bei Correctiv.[7] Meine Meinung dazu habe ich im Mai 2025 im Cicero in einem Artikel mit dem Titel „Der Umgang der Koalition mit Desinformation lässt wenig Gutes erwarten“[8] dargelegt. Daran sehen Sie schon, es geht hier um den Kampf der Meinungen – um das bessere Argument. Der Leser möge selbst entscheiden, wer hier die besseren Argumente hat. Mit Faktenfindung oder Faktencheck hat das rein gar nichts zu tun. Wenn nun aber Meinungsbeiträge unter der Überschrift „Faktencheck“ oder „Faktenfindung“ laufen, geht das selbst in Richtung Irreführung beziehungsweise Täuschung.
Und dann gibt es natürlich die Faktenchecks, die nicht gut gealtert sind. So zum Beispiel der Beitrag des Faktenfinders der Tagesschau „Kaum Belege für Labortheorie“,[9] übrigens ebenfalls ein reiner Meinungsbeitrag. Heutzutage hält sogar der frühere Präsident des RKI, Lothar Wiehler, den Laborursprung des Coronavirus für das wahrscheinlichste Szenario.“
Definition "Desinformation"
Dasselbe gilt für das Wort Desinformation. Können Sie das an einem Beispiel erklären?
Jan Ristau:
„Unter Desinformation wird ja im Allgemeinen die absichtliche Verbreitung falscher Tatsachen verstanden. Schon die Frage, was wahr und was falsch ist, ist meistens nicht so klar zu beantworten, wie es die sogenannten Faktenfinder oft suggerieren. Darauf, dass sich vermeintlich stabile „Wahrheiten“ durchaus erschüttern lassen, weist auch die Strafrechtsprofessorin Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski hin[10] und verweist ebenfalls auf das Beispiel der Labortheorie.
Bei dem Wort Desinformation kommt noch dazu, dass dieses Wort den Vorwurf der Lüge in sich trägt, so dass hierbei der sich Äußernde abgewertet wird. Das stört Faktenchecker wie Correctiv aber nicht. Zum Beispiel gibt es dort eine Unterseite „Desinformation rund um die Bundestagswahl 2025“,[11] wo sich dann Artikel finden, bei denen eine Lüge noch nicht einmal behauptet wird. Dort gibt es einen Beitrag über die Aussage von Friedrich Merz, der vor der Bundestagswahl über „täglich stattfindende Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber“ gesprochen hat. Correctiv[12] kritisiert, dass diese Behauptung unbelegt sei. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Behauptung bewusst falsch ist. Und dennoch findet sich der Beitrag in einer Rubrik, die mit Desinformation überschrieben ist.“
Was ist strafbar?
Handelt es sich also juristisch um Täuschung? Ist das strafbar?
Jan Ristau:
„Wenn ein Faktenchecker Meinungen checkt und keine Tatsachen, ist das nicht strafbar, kann jedoch zivilrechtliche Ansprüche auslösen. Zum Beispiel hatte das Gericht in dem angesprochenen Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Correctiv untersagt, einen bestimmten Beitrag bei Facebook mit der Bewertung „Behauptung teilweise falsch“ zu versehen, weil die Äußerung, um die es ging, gar keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthielt. Überhaupt ist die Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen in der Regel nicht strafbar. Strafbar ist allerdings die Leugnung des Holocausts oder die Verleumdung, also wenn über eine andere Person bewusst unwahre Tatsachen behauptet werden, die diese Person in der öffentlichen Wahrnehmung verächtlich machen können.“
Faktenchecker - Systematik & Finanzierung
(Zum Vergrößern auf die Grafik klicken)
"Faktencheck" im Medienstaatsvertrag?
Hier stellt sich die Frage, wodurch sind diese Faktenchecker legitimiert? Ist das Faktenchecken vorgesehen im Medienstaatsvertrag?
Jan Ristau:
„Die falsche Information ist nach dem Bundesverfassungsgericht kein schützenswertes Gut. Insofern ist es schon wichtig, wenn falsche Tatsachenbehauptung entlarvt oder über die Wahrheit oder Falschheit von Tatsachenbehauptungen diskutiert und gestritten wird. Problematisch wird es dann, wenn unter der Überschrift „Faktencheck“ oder „Desinformation“ reine Meinungen gecheckt werden oder eigene Meinungen oder journalistische Inhalte verbreitet werden. Denn dies hat rein gar nichts mehr mit einem Faktencheck zu tun und kann den Bürger bei seiner Meinungsbildung in die Irre führen, wenn er daraufhin von Fakten ausgeht, die gar nicht existieren. Und verfassungsrechtlich problematisch wird das, wenn dies auch noch mit Steuergeldern oder Rundfunkgebühren finanziert wird. Das Wort Faktencheck kommt im Medienstaatsvertrag nicht vor. Meines Wissens sieht er dies auch nicht vor.“
Bedingungen für Faktenchecker?
Müssen Faktenchecker bestimmte Qualifikationen erfüllen?
Jan Ristau:
„Nein. Sie müssen ja noch nicht einmal Englisch können, wenn sie englische Texte einem Faktencheck unterziehen. Ein berühmtes Beispiel ist der Faktencheck der Tagesschau zur Sprengung von Nord Stream. In dem Faktencheck wurde behauptet, der Sprengstoff sei „in Form von Pflanzen“ gewesen, weil das Wort „plant“ mit „Pflanze“ und nicht, wie der Übersetzung es gefordert hätte, mit „platzieren“ übersetzt wurde.[13] Um eine gewisse Kompetenz auszustrahlen, lassen sich manche Faktenchecker zertifizieren. Es gibt zum Beispiel das „International Fact-Checking-Network“ (IFCN), das Faktenchecker zertifiziert. Dafür muss eine Organisation ihre Verpflichtung zu Unparteilichkeit und Fairness, Transparenz hinsichtlich ihrer Quellen, ihrer Finanzierung und ihrer Organisation, Transparenz hinsichtlich ihrer Methodik sowie ihre Verpflichtung zu offenen und ehrlichen Korrekturen unter Beweis stellen. Zertifiziert sind in Deutschland momentan Correctiv, der Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks, die dpa sowie die Deutsche Welle. Das IFCN wurde in der Vergangenheit finanziert zum Beispiel vom US-Außenministerium, der Bill & Melinda Gates Foundation, Google oder Facebook.[14] Hinter alledem stehen also mächtige Player, die ein großes Interesse daran haben werden, den weltweiten Meinungsbildungsprozess in ihrem eigenen Sinne zu gestalten.“
Correctiv unabhängig?
Das Beispiel Correctiv, erfüllen sie „Unabhängigkeit“, „Neutralität“ „Objektivität“, etc?
Jan Ristau:
„Correctiv erhielt in der Vergangenheit vom Staat Unterstützung in Millionenhöhe. Des Weiteren erhielten sie Geld von zum Beispiel von ausländische Stiftungen, hinter denen US-Milliardäre fungieren, deutschen Stiftungen wie der Heinrich Böll Stiftung (parteinahe Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen) und der Konrad Adenauer Stiftung (parteinahe Stiftung der CDU), oder Firmen wie Google, Facebook, Deutsche Bank und Telekom. Nach Eigenbeschreibung soll trotzdem „größtmögliche“ Unabhängigkeit bestehen. Würden Sie bei einem Richter oder einem Gericht bei solchen Geldgebern Unabhängigkeit, Neutralität und Objektivität vermuten? Wohl kaum.“
Zahlen zu Correctiv
Die Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm bei der Bundesregierung ergab, dass „Correctiv“ seit der Gründung im Jahr 2014 rund 2,5 Millionen Euro an Steuergeldern erhalten hat.[15] Laut eigener Angaben lagen die Jahresgehälter der beiden Geschäftsführer von Correctiv Im Jahr 2023 bei rund 97.000 Euro für Jeannette Gusko und 120.000 Euro für David Schraven. Im Fall Schraven ist das ein Monatsgehalt von 10.000 Euro.
Wir nehmen keine staatlichen Förderungen für unsere investigativen Recherchen, Faktenchecks oder redaktionelle Arbeit an.
Wir erhalten staatliche Förderung ausschließlich für unsere Medienbildung.
Correctiv
Faktenchecker verklagt
Sie erwähnen mehrere Fälle des Rechtsanwalts Joachim Steinhöfel. „Faktenchecker irren sich häufig, und unterscheiden sich von anderen Meinungsinhaber lediglich durch die Anmaßung, sie seien dazu berufen (…) über Wahr oder Unwahr befinden zu dürfen.“ Können Sie das näher erläutern?
Jan Ristau:
„Wenn Faktenchecker Meinungen checken, sind die Faktenchecks natürlich schon per Definition nicht richtig, da sie dann ja eben keine Fakten betreffen. Denn Meinungen sind weder wahr noch falsch und demnach einem Faktencheck gar nicht zugänglich. Das gilt selbstverständlich auch für wissenschaftliche Meinungen. Und Faktenchecker irren sich auch bei der Überprüfung von Tatsachen. Herr Steinhöfel berichtet in seinem Buch „Die digitale Bevormundung“, dass er Faktenchecks der Tagesschau wiederholt gerichtlich hat untersagen lassen, weil diese rechtswidrig und falsch waren.“
Kubicki (FDP) spricht Correctiv politische Unabhängigkeit ab
Herr Ristau, untersuchen die offiziellen Faktenchecker auch Aussagen der Bundesregierung, Aussagen von staatlichen Stellen? Herr Lauterbach hatte beispielsweise vermehrt eine Falschaussage verbreitet, die Covid-Impfung sei nebenwirkungsfrei.
Jan Ristau:
„Ich konnte bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür entdecken oder feststellen, dass die Faktenchecker des öffentlichen Rundfunks oder die von der Bundesregierung empfohlenen Faktenchecker von Correctiv besonders regierungskritisch agieren. Dies ergeht anscheinend nicht nur mir so. Zum Beispiel hat auch der damalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) Correctiv eine allzu große Nähe zur Regierung unterstellt. Nach seiner Ansicht habe Correctiv eine „klare politische Schlagseite“. Er sprach im Übrigen Correctiv auch die politische Unabhängigkeit ab.
Ich habe bisher keinen Faktencheck der genannten Faktenchecker über die Aussagen Lauterbachs zur Nebenwirkungsfreiheit der Impfung gefunden. Er sprach ja ursprünglich von der Nebenwirkungsfreiheit der Impfung, dann von „mehr oder weniger“ nebenwirkungsfrei. Und in dem Video des Bundesgesundheitsministeriums, das ich schon im letzten Interview zum Thema Desinformation erwähnt habe, sprach er von „sehr seltenen“ Nebenwirkungen der Impfung. Dabei sind Impfnebenwirkungen „häufig“ bis „sehr häufig“, was jeder zum Beispiel bei BioNTech[16] nachlesen kann. Herr Lauterbach sprach auch nicht von „schweren Nebenwirkungen“, sondern nur von „Nebenwirkungen“. Herr Lauterbach hat dann ja später selbst eingeräumt, dass er nie wirklich an die Nebenwirkungsfreiheit der Impfung geglaubt hat. Stellen Sie sich einmal vor, wenn für die Impfung eher korrekt mit den Sätzen „Lassen Sie sich impfen! Impfnebenwirkungen sind häufig bis sehr häufig, nur schwere Nebenwirkungen sind sehr selten“ geworben worden wäre. Ich vermute, dass dann die Impfquote geringer gewesen wäre.“
Bevölkerung wurde "bewusst belogen"
Ein anderes Beispiel von Karl Lauterbach, damals noch Minister, ist seine Aussage, das Robert-Koch-Institut (RKI) habe unabhängig gearbeitet. „Es muss ja noch einmal ganz klar gesagt werden, das Robert-Koch-Institut hat damals unabhängig von politischer Weisung das Richtige getan“, so Lauterbach.[17]
Jan Ristau:
„Das Gegenteil ist der Fall. Auch hier wurde die Bevölkerung bewusst angelogen. Dies spricht ja auch zum Beispiel Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski, Strafrechtsprofessorin an der Universität Köln und Mitglied des Deutschen Ethikrats, an. Sie schreibt in dem Buch „Vereinnahmte Wissenschaft – Die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts“, das von Bastian Barucker herausgegebenen wurde, dass wichtige empirische Erkenntnisse des RKI „öffentlich nicht beziehungsweise abweichend kommuniziert wurden“.[18] All dies konnte anhand der RKI-Protokolle herausgearbeitet werden. Das Skandalöse daran ist ja gerade, dass angeblich unabhängige Behörden auf politische Weisung gehandelt haben. Das schwächt zugleich die Rechtsprechung zu den massiven Freiheitseinschränkungen während der Corona-Zeit, die ihre Urteilsbegründungen maßgeblich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse des RKI gestützt hat. Beim Faktenfinder der Tagesschau heißt es dann lediglich – ganz im Sinne der Regierung – `Die RKI-Files, und der Skandal der keiner ist´.“
Serie "Meinungsfreiheit in Gefahr"
Interview-Reihe mit dem Rechtsanwalt und Autor des Buches „Meinungsfreiheit in Gefahr! Wie der Staat die Demokratie aushöhlt“, Jan Ristau.
Weitere Interviews:
Meta (Facebook) prüft keine Aussagen von Politikern
Sie sagen bei meta – ehemals Facebook – werden Politiker keiner Faktenprüfung unterzogen. In den Richtlinien des Unternehmens steht u.a.: „Wir machen uns stark für freie Meinungsäußerung (…) Eine Einschränkung der politischen Meinungsäußerung würde dazu führen, das Bürger*innen weniger über die Meinungen ihrer gewählten Regierungsbeamt*innen informiert wärenwären.“[19] Wird mit zweierlei Maß gemessen?
Jan Ristau:
„Zum einen muss man hier erst einmal feststellen, dass meta selbst Faktenchecks als Einschränkung der Meinungsäußerung bezeichnet. Das ist erst einmal eine wichtige Feststellung. Denn nach dem Bundesverfassungsgericht können mitunter sogar falsche Tatsachenbehauptungen unter die Meinungsfreiheit fallen. Das ist dann der Fall, wenn sie nicht bewusst unwahr geäußert werden und nicht klar erweislich falsch sind. Und natürlich wird hier mit zweierlei Maß gemessen. Es ist natürlich völlig richtig, dass Faktenprüfungen zu keiner Unterdrückung oder Löschung von Meinungen im Sinne der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes führen dürfen. Das gilt aber für jeden und nicht nur für Politiker. Und wenn tatsächlich einmal erwiesenermaßen eine Falschaussage vorliegt, dann möchte ich als Bürger, dass das auch dokumentiert ist und nicht von den sozialen Medien unterdrückt oder gelöscht wird, egal von wem diese Aussage kommt. Denn sogenannte Falsch- oder Desinformation sollte man mit einem freien Austausch von Informationen, durch These und Antithese, durch Kritik und Gegenkritik, durch eine freie Kommunikation, wie sie vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt und vorgesehen ist, begegnen, nicht durch Löschen und Unterdrücken von Aussagen. Es wird übrigens sowieso mit zweierlei Maß gemessen, auch in Bezug auf Nichtpolitiker. Zum Beispiel hatte Mitte 2022 Bill Gates in einem Interview gesagt, dass Covid eine Krankheit ist, die hauptsächlich ältere Menschen betrifft und dabei Covid mit der Grippe verglichen. Dieses Video konnte meines Wissens ohne Probleme in den sozialen Medien verbreitet werden. Hätte aber jemand anderes solche Aussagen getroffen, hätte er seinerzeit erhebliche Probleme mit dem jeweiligen Anbieter bekommen können – bis hin zur Kontolöschung.“
Meta zahlt Faktenchecker
RA Steinhöfel berichtet, dass Meta Faktencheckern Geld bezahlt für Faktenchecks. Wie ist das in Deutschland?
Jan Ristau:
„Das ist meines Wissens bislang nicht offengelegt worden. Correctiv sagt zum Beispiel über sich, dass sie in Bezug auf ihre Finanzen umfassend transparent sind. Die Transparenz hört aber dort auf, wo es um die Frage der fremdnützigen Tätigkeit für Facebook geht. Nach Herrn Steinhöfel zahlte Facebook Faktencheckern in Großbritannien im Jahr 2019 durchschnittlich ca. 1.790 US-Dollar pro Faktencheck und Faktencheckern in Frankreich im Jahr 2018 durchschnittlich ca. 980 US-Dollar pro Faktencheck. Das ist inzwischen ja auch ein paar Jahre her. Es wird also wahrscheinlich ein vierstelliger Betrag sein.“
Einträgliches Geschäft
Herr Ristau: Faktencheck, ein lukratives Geschäft mit Unterstützung der Bundesregierung?
Jan Ristau:
„Wie das funktioniert, ist schon interessant: Faktenchecker erhalten Steuermittel beziehungsweise werden von den Rundfunkgebühren bezahlt. Gleichzeitig erhalten sie für jeden Faktencheck Geld von Facebook. Was wäre nun, wenn sich die Faktenchecker als vierte Gewalt verstünden und auch zum Beispiel den Regierungspolitikern genau auf die Finger schauen würden? Dann würden sie von Facebook für entsprechende Faktenchecks statt vierstelliger Beträge gar nichts bekommen. Und wenn sie sehr regierungskritisch wären, ist es kaum vorstellbar, dass sie weiterhin Geld vom Staat bekämen. Insofern gehen die finanziellen Anreize gen Null, dass Faktenchecker Falschaussagen von Regierungspolitikern thematisieren.“
Die Sicht der Justiz
Was sagen die Gerichte?
Jan Ristau:
„Das Oberlandesgericht Karlsruhe greift auf, dass Faktenschecker sich nicht auf das Überprüfen von Tatsachenbehauptungen beschränken. Wenn nun Faktenchecker nicht nur vom Staat empfohlen werden, sondern auch Staatsgelder erhalten, sagt das Gericht unter Verweisung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: „Im Wettbewerb der Meinungen fehlt ein objektiver Maßstab für die Einteilung in „richtig“ und „falsch“, „gut“ oder „schlecht“; Meinungsbildungen und Wertungen sind subjektive Vorgänge. Für den Staat gilt daher eine Neutralitätspflicht im publizistischen Wettbewerb: Er darf nicht bestimmte Meinungen oder Tendenzen durch Förderung begünstigen oder benachteiligen.“
Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht.
Thomas Jefferson, ehemaliger US-Präsident
Das Buch zum Interview

Jan Ristau
Meinungsfreiheit in Gefahr
211 Seiten
Edition Blaes
Quellen
- 1grundrecht-meinungsfreiheit.de
 - 2https://www.m-vg.de/die-digitale-bevormundung/
 - 3https://www.sueddeutsche.de/tichys-einblick-correctiv-verloren-gericht
 - 4https://oberlandesgericht-karlsruhe
 - 5https://www.tichyseinblick.de/faktenchecks
 - 6https://www.tagesschau.de/meinungsfreiheit-koalitionsvertrag
 - 7https://correctiv.org/koalitionsvertrag-union-und-spd-gegen-desinformation
 - 8https://www.cicero.de/luegenverbot-desinformation-koalition
 - 9https://www.tagesschau.de/meinungsfreiheit-koalitionsvertrag
 - 10https://www.lto.de/meinungsfreiheit-diskurs-rostalski
 - 11https://correctiv.org/faktencheck/
 - 12correctiv/behauptung-zur-kriminalitaet-von-asylbewerbern/
 - 13https://www.focus.de/blamieren-sich-mit-uebersetzungsfehler
 - 14https://correctiv.org/faktencheck/ueber-uns/
 - 15https://www.nordkurier.de/25-millionen-euro-steuergeld
 - 16https://pro.biontech.com/
 - 17https://www.bild.de/lauterbachs-corona-schummel-fliegt-auf
 - 18https://www.masselverlag.de/Vereinnahmte-Wissenschaft/
 - 19https://de-de.facebook.com/business/help/
 






