Skip to content
Neues Wehrpflichtgesetz

Lars Klingbeil und sein Verhältnis zu Gewalt, Geld und Wehrpflicht

Bei einem überraschenden Besuch am 25. August 2025 in Kiew hat der deutsche Finanzminister und Vize-Kanzler Lars Klingbeil (SPD) der Ukraine weitere Hilfen zugesagt. „Wir werden die Ukraine jährlich mit 9 Milliarden unterstützen“, teilte er mit.[1] Zudem äußerte er sich zu einer möglichen Beteiligung Deutschlands bei Sicherheitsgarantien.[2] „Wir haben immer gezeigt in den dreieinhalb Jahren, die dieser Krieg jetzt andauert, dass wir uns nicht wegducken, sondern dass wir an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer stehen. Und das wird auch für Sicherheitsgarantien gelten.“

Klingbeil und sein Verhältnis zu Gewalt, Geld und Wehrpflicht
Lars Klingbeil am 25.8.25 in Kiew (@ IMAGO/NurPhoto)

Kriegsdienstverweigerer und ehemaliges Antifa-Mitglied

Bemerkenswerte Worte für einen Mann, der sich selbst in Sachen Landesverteidigung schon früh weggeduckt hat und auch nicht bereit wäre, jemals an die Front zu gehen: Nach dem Abitur 1998 hat er den Kriegsdienst verweigert und in der Bahnhofsmission Hannover seinen Zivildienst absolviert.

Dennoch zeigt ein Blick auf Klingbeils Vita, dass er durchaus offen für militärische Gewalt und sogar für extremistische Bewegungen ist. Noch 2019 gab der Bundesvorsitzende der SPD in einer ARD-Fernsehreportage offen zu, dass er „in der Antifa aktiv gewesen“ ist.[3] Antifa steht für „Antifaschistische Aktion“ und laut Bundesamt für Verfassungsschutz wird der Begriff Antifaschismus „mehrheitlich von Linksextremisten vereinnahmt, die im Namen des antifaschistischen Kampfes zu Straf- und Gewalttaten gegen aus ihrer ideologischen Definition nach „faschistischen“ Personen oder Institutionen aufrufen“.[4] Das übergeordnete Ziel der Antifa im Sinne des autonomen Antifaschismus bzw. des linksextremistischen Aktionsfelds Antifaschismus sei dabei die Überwindung des Kapitalismus. Und zwar nicht durch politische Reformen, „sondern durch einen Umsturz der bisherigen Staats- und Gesellschaftsordnung“.

„Feinde der Demokratie“ sieht Klingbeil jedoch nicht bei der Antifa oder anderen Linksextremisten, sondern bei der immer stärker werdenden Konkurrenz: der AfD, die er möglichst verbieten lassen will.[5]

Verbindungen zu Rüstungslobby und Rüstungsindustrie

Seit Jahren unterhält Klingbeil zudem enge Verbindungen zur Rüstungsindustrie. Bis 2017 gehörte er viele Jahre dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik an,[6] einem Lobbyverein, der Treffen von Rüstungsindustrie, Militärs und Politikern organisiert.[7]

Mehrere Jahre lang war Klingbeil auch Mitglied im Präsidium des „Förderverein Deutsches Heer“, einem der größten Lobbyverbände der deutschen Rüstungsindustrie.[8] Und noch 2019, so die taz, traf sich Klingbeil mit Vertretern von Rheinmetall, einem der größten deutschen Rüstungskonzerne. Mit 7,28 Prozent der Anteile (Stand August 2025) ist Blackrock der größte Aktionär von Rheinmetall[9] – jenes Unternehmen, dessen Aufsichtsrat von 2016 bis 2020 von Friedrich Merz (CDU), dem heutigen Bundeskanzler, geleitet wurde

Bundeswehr beschert Rheinmetall größten Auftrag in Unternehmensgeschichte

Im Juni 2024, noch zu Zeiten der Ampel-Regierung und unter dem vom SPD-Mann Boris Pistorius geführten Verteidigungsministerium, erhielt Rheinmetall den bis dato größten Auftrag seiner Unternehmensgeschichte: eine Bestellung von Artilleriemunition im Wert von 8,5 Milliarden Euro durch die Bundeswehr.[10] Im Februar 2024 hatte Rheinmetall angekündigt, eine neue Munitionsfabrik an seinem Standort in Unterlüß zu bauen.[11]

Werk-Eröffnung mit Klingbeil und Pistorius

Am Mittwoch, den 27. August 2025, wird das Werk eröffnet. Mit dabei: Lars Klingbeil und sein Parteifreund Boris Pistorius. Pro Jahr sollen dort zusätzliche 200.000 Artilleriegeschosse hergestellt werden, insgesamt bis zu 350.000 Stück. Das Ziel des Rüstungskonzerns: „Die strategische Souveränität Deutschlands in der Munitionsherstellung“ sicherzustellen. Interessantes Detail: Klingbeils Wahlkreis grenzt an den großen Rheinmetall-Standort Unterlüß. Viele in der Südheide sind bei dem Rüstungskonzern beschäftigt.

Einsatz für Erhöhung des Wehretats

Seit langem setzt sich der heutige Finanzminister auch für eine Erhöhung des Wehretats ein.[12] So schrieb Klingbeil bereits 2017, dass solche Erhöhungen „dringend nötig“ seien, um gute Arbeitsbedingungen und die bestmögliche Ausrüstung „unserer Soldatinnen und Soldaten“ zu gewährleisten.[13] Damals lag der Ukraine-Krieg noch in weiter Ferne. Und Klingbeil war klar, dass „das Verständnis in der Bevölkerung für eine Erhöhung des Wehretats gering bleibt, wenn eine öffentliche Debatte über Sinn, Zweck und strategische Ausrichtung unserer Verteidigungspolitik ausbleibt und „keine öffentliche Legitimation geschaffen wird“.

„Militärische Gewalt ist legitimes Mittel der Politik“

Die von Klingbeil vermisste „Legitimation“ lieferte wenige Jahre darauf der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022. Wenige Monate später verkündete der Kriegsdienstverweigerer Klingbeil in einer Rede auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass Friedenspolitik für ihn bedeute, „auch militärische Gewalt als legitimes Mittel der Politik zu sehen“.[14]

„Deutschland muss Anspruch einer Führungsmacht haben“

Mehr noch, Deutschland müsse den Anspruch einer „Führungsmacht“ haben. Nach knapp 80 Jahren der „Zurückhaltung“ habe Deutschland heute eine „neue Rolle im internationalen Koordinatensystem“. Diese neue Rolle als Führungsmacht werde Deutschland „harte Entscheidungen abverlangen – finanzielle auch politische“.

In puncto Finanzen haben Klingbeil und seine Genossen der Bundesregierung vor wenigen Monaten mit einem politischen Coup bereits Handlungsspielraum verschafft: Gemeinsam mit der Union und den Grünen sorgte die SPD dafür, dass der Bundestag am 18. März 2025 ein Mega-Schuldenpaket beschloss: 500 Milliarden Sondervermögen für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz. Zudem wurde die Schuldenbremse für den Verteidigungshaushalt gelockert. Alle Verteidigungsausgaben über einem Prozent der Wirtschaftsleistung fallen nun nicht mehr unter die Verschuldungsregeln des Grundgesetzes.[15]

Schuldenpaket ermöglicht Aufrüstung

Das alles gelang nur durch einen Trick: Am 23. Februar 2025, hatten SPD, Grüne und FDP bei der vorgezogenen Neuwahl des Deutschen Bundestags massive Verluste erlitten. Doch anstatt zügig das neue Parlament einzuberufen, ließ sich die alte Bundestagspräsidentin und Parteifreundin von Klingbeil, Bärbel Bas (SPD), Zeit – und den bereits abgewählten Bundestag über das historische Milliarden-Finanzpaket entscheiden. Geld für Aufrüstung ist damit nun da.

Forderung nach Steuererhöhung

Doch während Klingbeil der Ukraine für die nächsten Jahre Milliarden zusagt, welche reine Schulden sind, scheint das Geld für Deutschland nicht zu reichen: Der Haushalt weist Lücken auf. Um diese zu schließen, fordert die SPD höhere Steuern für Top-Verdiener und Vermögende.[16] Zum Vergleich: Die neuen und zusätzlichen Schulden entsprechen dem gesamten Bundeshaushalt für 2025 von rund 500 Milliarden Euro.[17] Die Neuverschuldung im Bundesetat liegt bereits dieses Jahr bei „81,8 Milliarden Euro“, so die Bundesregierung. Das sogenannte „Sondervermögen“ sind zusätzliche Sonderschulden.[18]

Seit dem Studium im Dienst der Partei

Dass das gravierende Folgen für das Wirtschaftswachstum haben kann, scheint den SPD-Finanzminister nicht anzufechten. Möglicherweise fehlt ihm dafür die Erfahrung. Eigenen Angaben zufolge hat Klingbeil keinen einzigen Tag seines Lebens in der freien Wirtschaft gearbeitet.[19] Seit seinem Eintritt in die SPD mit 18 Jahren (1996) hat er nur der Partei gedient und mit guten Kontakten zu führenden Köpfen in der Partei Karriere gemacht: Noch während des Studiums arbeitete Klingbeil im Wahlkreisbüro von Gerhard Schröder und dem Bundestagsabgeordneten Heino Wiese. Später pflegte er gute Kontakte zu dem inzwischen verstorbenen, ehemaligen Verteidigungsminister Peter Struck.[20],[21]

Rückkehr zur Wehrpflicht?

Seit langem macht Klingbeils Partei-Freund Boris Pistorius deutlich, dass die Bundeswehr nicht nur Geld, sondern auch dringend Personal braucht. Noch vor wenigen Wochen hatte Klingbeil beteuert, dass es „keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben werde.“[22] Heute, am 27. August 2025, hat die Bundesregierung das neue Wehrdienstgesetz auf den Weg gebracht. Das setzt zwar größtenteils auf Freiwilligkeit. Die Frage ist nur, wie lange dieses Versprechen hält. Denn schon im Juni 2025 haben Klingbeil und seine Genossen klar gemacht: Man müsse jetzt schon die Voraussetzungen dafür schaffen, „dass auch verpflichtend eingezogen werden könnte“.

Autor

Avatar-Foto

Vier unabhängige Köpfe, jeder mit über 20 Jahren Erfahrung: Zwei Journalistinnen aus Print und Hörfunk, eine Autorin, ein Finanzberater, und viele Mitstreiter, Webdesigner, Rechtsanwälte, Journalisten-Kollegen. Unsere Expertise, unsere Unabhängigkeit und tiefgehende Recherche machen uns glaubwürdig - und unser Portal notwendig.

An den Anfang scrollen

Jetzt unterstützen!

Unterstützen sie Connection.news mit einer Spende bei gofund.me und helfen uns damit, unabhängigen Journalismus zu stärken. Vielen Dank!
Gofund.me besuchen
close-link
No results found...