Parteiische Faktenchecker?
Die Arbeit der ARD-Faktenchecker sorgt für Diskussionen: Enge Verbindungen zur Amadeu Antonio Stiftung, politisch gefärbte Bewertungen und fragwürdiger Umgang mit den RKI-Files. Sind die Faktenchecker unparteiisch?

Carla Reveland und Patrick Gensing
In dem ARD-Faktenfinder-Podcast vom September 2021 „Corona, Masken, Impfungen: Die falschen Propheten der Pandemie“[1] wird neben Sebastian Leber, der für den Berliner Tagesspiegel arbeitet, auch Carla Reveland ‚interviewt‘. Reveland war zu diesem Zeitpunkt bereits freie Autorin beim ARD-Faktenfinder. Ein Jahr später, im September 2022 wird sie dort verantwortliche Redakteurin.
Zu diesem Zeitpunkt wechselt ihr Vorgänger Patrick Gensing in die Medienabteilung des FC St. Pauli, die er mittlerweile leitet. Gensing war seit 2017 als leitender Redakteur mit dem Aufbau der ARD-Ressorts „Faktenfinder“ und „Investigativ“ betraut. Gensing schreibt weiterhin[2] freiberuflich unter anderem für Belltower.News[3] („Journalismus gegen Hass und Hetze“ – „die journalistische Plattform der Amadeu Antonio Stiftung“).
Journalismus mit Haltung
Reveland und Gensing, der 2021 als verantwortlicher Redakteur beim Podcast „Die falschen Propheten der Pandemie“ zeichnete, verbindet eine jahrelange Geschichte. Bereits 2015, zu dieser Zeit war Reveland Studentin der privaten Hamburger Fachhochschule für Medien und Kommunikation (Macromedia), führte sie für das Online-Magazin „Vocer“ ein Interview mit Gensing.[4] Im Vorspann bezeichnet sie den damaligen tagesschau-Redakteur als ihr „journalistisches Vorbild“. Auf Revelands Frage „Kann und darf ein Journalist denn Stellung beziehen?“ antwortete Gensing seinerzeit: „Ich bin ein großer Freund von Journalismus mit Haltung, weil ich mich daran viel besser abarbeiten kann. Ich glaube, dass man die Leute eher gewinnen kann, wenn im Journalismus eine Haltung vertreten wird, als wenn da irgendwie einfach nur Fakten angehäuft werden. Das ist in meinen Augen auch überhaupt nicht Journalismus. Einfach nur Fakten zu liefern und sagen, wir können das nicht beurteilen und wissen das nicht. Das zu beurteilen ist doch genau unser Job.“
Weder Reveland noch Gensing scheinen dabei ein Problem damit zu haben, dass damit die Grenze zwischen Aktivismus (oder „Haltungs-Journalismus“) und Journalismus verschwimmt. Denn Aktivisten bleiben nicht außen vor. Sie schlagen sich auf eine Seite und ergreifen Partei. Genau das aber widerspricht dem Prinzip des Journalismus, den der 1995 verstorbene Tagesthemen-Moderator Hanns Joachim Friedrichs so beschrieb: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“[5]
Bemerkenswert ist Gensings Zitat auch deshalb, weil hier ein Tagesschau-Redakteur (seit 2009) und künftiger „Faktenfinder“ (ab 2017) offen zugibt, nicht nur Fakten zu checken, sondern diese auch – und zwar vor dem Hintergrund einer bestimmten Haltung – zu bewerten.
„Zwischen Nachrichten und Meinungsmache“
Genau das beobachtet Ex-Tagesschau-Mitarbeiter Alexander Teske beim Faktenfinder schon länger. In seinem 2025 erschienenen Buch „Inside Tagesschau: Zwischen Nachrichten und Meinungsmache“ beschreibt der Journalist, der sechs Jahre bei der Tagesschau die Themen der Sendungen geplant hat, wie Machtkämpfe und politische Überzeugungen die Berichte und Beiträge prägen.
Das gilt möglicherweise auch für die aktuelle ARD-Faktenfinderin Carla Reveland und ihren Vorgänger Patrick Gensing. Wie Teske in seinem Buch berichtet, engagieren sich beide bei der umstrittenen Amadeu Antonio Stiftung (AAS).[6] Diese wurde 1998 von der in Ost-Berlin geborenen Publizistin Anetta Kahane gegründet, die von 1974 bis 1982 Inoffizielle Mitarbeiterin der DDR-Staatssicherheit (Stasi) war. Die AAS wendet sich nach eigenen Angaben „konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“. Dabei scheut sie selbst nicht vor anti-demokratischen Methoden zurück. So begrüßte die Stiftung das Verbot des Magazins Compact durch die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser, das später durch ein Gericht aufgehoben wurde. Zudem vertritt die AAS die Position, dass es „nicht zugelassen werden (kann), dass die AfD als normale Partei auftritt und das politische Klima weiter vergiftet.“[7]
Pascal Siggelkow
Interessant ist auch eine andere Personalie der ARD. Seit Oktober 2021 im „Faktenfinder“-Team ist Pascal Siggelkow. Er hat in Hamburg seinen Master in Journalistik und Kommunikationswissenschaft absolviert und jahrelang freiberuflich für das Hamburger Abendblatt und die Hamburger Morgenpost gearbeitet. Danach ging’s zum Volontariat in den Südwesten Deutschlands, zum SWR, wo Siggelkow sich „besonders im investigativen Bereich“ betätigte, bei Report Mainz und in der SWR-Rechercheunit. „Dabei recherchierte er beispielsweise verdeckt zu Ärzten, die Corona verharmlosten und ohne medizinischen Grund Atteste gegen das Tragen von Schutzmasken ausstellten“, heißt es auf der SWR-Webseite.[8]
„Die RKI-Files und der Skandal, der keiner ist“
Beim ARD-Faktenfinder blieb Pascal Siggelkow am Thema dran: Seine Einordnung „Die RKI-Files und der Skandal, der keiner ist“[9] (25. März 2024) eröffnet er mit den Worten, die Inhalte seien „laut Experten weit weniger brisant, als es vor allem in ‚Querdenker‘-Kreisen behauptet wird“.
Erstaunlich daran: Nur wenige Tage zuvor hatte das Magazin „Multipolar“ am 20. März 2024[10] mehr als 200 Protokolle aus dem Zeitraum Januar 2020 bis April 2021 – insgesamt rund 2500 Seiten – veröffentlicht. Eine Meisterleistung, wenn es Siggelkow gelungen sein sollte, das Konvolut innerhalb von nur fünf Tagen selbst komplett durchzuarbeiten. Doch in seinem Beitrag stützt sich Siggelkow ohnehin auf die Einschätzung zweier Experten. Der am häufigsten zitierte, Hajo Zeeb, ist nicht nur Professor für Epidemiologie an der Universität Bremen. Er ist auch Kommissionsmitglied am Robert-Koch-Institut.[11] Dieses kleine, aber nicht unerhebliche Detail, das eine offensichtliche Befangenheit Zeebs mit sich bringt, verschweigt Faktenfinder Siggelkow dem Publikum.
Protokolle des RKI wenig brisant?
Inhaltlich geht es in dem Bericht vor allem um die am 17. März 2020 vom damaligen RKI-Präsidenten Lothar Wieler verkündete Verschärfung der Risikobewertung von „mäßig“ auf „hoch“[12] – jene Hochstufung wiederum war Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und späteren Gerichtsurteile dazu. RKI-Präsident (und Wieler-Nachfolger) Lars Schaade sprach noch am 20. Juni 2024 vor dem rheinland-pfälzischen Landtag von einem „exponentiellen Anstieg der Fallzahlen in Deutschland“ Mitte März 2020. Schaade: „Die Pandemie hebt zu diesem Zeitpunkt ab.“[13]
Tatsächlich wurden in der Woche vom 9. bis 15. März 2020 deutschlandweit 7582 Menschen positiv auf Corona getestet – in der Woche darauf (16. bis 22. März), in der Wieler seine Risiko-Hochstufung verkündete, waren es bereits 23.820 Corona-Positive – eine Verdreifachung.
Allerdings war in dieser Woche auch die Anzahl der durchgeführten Tests beinahe dreimal so hoch, wie noch in der Vorwoche: 348.619 statt 127.457.[14] Die entscheidende Zahl – der Prozentsatz der positiv Getesteten – veränderte sich aber nur geringfügig von 5,9% auf 6,8%, also um gerade einmal 0,9 Prozentpunkte. Das aber erfahren die Leser der ARD-Faktenfinder nicht.
Stattdessen zitiert Siggelkow seinen Experten Zeeb wie folgt: „So ein Anstieg innerhalb so kurzer Zeit ist substanziell, auch wenn es nicht nach viel klingt.“ Das passt perfekt zu Schaade: „Die Pandemie hebt zu diesem Zeitpunkt ab.“
Ungeschwärzte RKI-Protokolle ignoriert?
Unklar bleibt zudem, warum sich die ARD bis heute nicht die Mühe gemacht hat, tiefer in die Materie einzutauchen. Seit Juli 2024 liegen die vollständigen RKI-Protokolle ungeschwärzt vor. Es war keine öffentlich-rechtliche „Rechercheunit“, kein „Leitmedium“ wie „Zeit“ oder „Spiegel“, das versucht hat, an die RKI-Protokolle heranzukommen. Herausgeklagt wurden sie zunächst vom Online-Magazin „Multipolar“. Vollständig und ungeschwärzt veröffentlicht – nach einem Leak aus dem RKI – wurden sie von der freien Journalistin Aya Velázquez.[15]
Durchgeführte Testungen auf Sars-CoV in den Kalenderwochen 11 und 12 / 2020 (26.3.2020)14
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ARD baut „Faktenprüfung“ noch weiter aus
von Volker Rekittke
Vernetzung ARD Faktenchecker
(Grafik durch Anklicken vergrößern)
Quellen
- 1tagesschau.de/faktenfinder
- 2belltower.news
- 3belltower.news/author
- 4archive.is/3Ddu0
- 5uebermedien.de
- 6blogs.faz.net/deus/2017
- 7amadeu-antonio-stiftung.de
- 8swr.de/leben/verbraucher
- 9tagesschau.de/faktenfinder
- 10multipolar-magazin.de
- 11rki.de/DE/Institut
- 12aerzteblatt.de/news
- 13berliner-zeitung.de
- 14RKI-Lagebericht vom 26.3.2020, S. 6
- 15velazquez.press