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Bundesverfassungsrichter

Brosius-Gersdorf: „Absurde Vorwürfe und Anfeindungen“?

Die Diskussion um die Kandidatur der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht geht weiter. Die SPD hält nach der geplatzten Richterwahl im Bundestag an der Juristin fest. Unterstützung erfährt sie vom Spiegel, der in einem Kommentar „Warum Frauke Brosius-Gersdorf nicht zurückziehen sollte“, die „teils absurden Vorwürfe und Anfeindungen“ kritisiert.[1] Es sei „nicht nachvollziehbar, dass eine qualifizierte Kandidatin in derartiger Art und Weise von Teilen der CDU/CSU diskreditiert worden ist“, findet auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).[2]

Brosius-Gersdorf - Bundesverfassungsgericht
Bundesverfassungsgericht während einer Urteilsverkündung (@ IMAGO/Stockhoff)

Diskreditierung?

Sind es absurde Vorwürfe und Diskreditierungen gegenüber Frau Brosius-Gersdorf, ist sie „völlig unverschuldet in einen Entrüstungssturm geraten“, wie es Markus Lanz am 15. Juli 2025 in seiner TV-Sendung sagte?[3] Oder wurde sie schlicht mit eigenen Aussagen und Positionen konfrontiert, die an ihrer Eignung für die Aufgabe als unparteiische Entscheiderin am Bundesverfassungsgericht zweifeln lassen?

Die bisherigen Themen, die Aufregung verursachten, waren ihre Positionen zu  Schwangerschaftsabbruch, AfD-Verbot und zur Covid-Impfpflicht. Jetzt ist ein Papier aus 2023 aufgetaucht, das ihre Vorstellung von Sozialstaat und Solidarität beleuchtet. Ihr Vorschlag: Covid-Ungeimpfte sollten die Kosten ihrer Behandlung bei einer Covid-Erkrankung selbst tragen. Und es gibt einen Plagiatsvorwurf.

Schwangerschaftsabbruch

Die Juristin hatte argumentiert, dass es „gute Gründe“ dafür gebe, dass „die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt“ gelte. Daraufhin wurde sie unter anderem als linksradikal bezeichnet. In ihrem Teil des Berichts der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ von 2024 schrieb sie:

Wenn man dem ungeborenen Leben ab Nidation (Anm. der Red. Einnistung der Eizelle) die Menschenwürdegarantie zuerkennt wie dem Mensch nach Geburt (…) wäre ein Schwangerschaftsabbruch unter keinen Umständen zulässig“ – auch nicht bei medizinischer Indikation, also wenn eine Gefahr für das Leben der Mutter besteht, bzw. eine schwerwiegende Beeinträchtigung (…) der Schwangeren droht.[4]

In einer persönlichen Erklärung sagte Brosius-Gersdorf, „die Bezeichnung meiner Person als „ultralinks“ oder „linksradikal“ ist diffamierend“. Und die Aussage, sie sei für eine Legalisierung und Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt, „ist unzutreffend und stellt eine Verunglimpfung dar“.[5]

AfD-Verbot

Frau Brosius-Gersdorf hat sich klar für ein AfD-Verbot ausgesprochen. In der ZDF TV-Sendung „Lanz“, vom 25. Juli 2024, sagte sie, wenn es genug Material gäbe, wäre sie dafür, dass der Antrag auf ein Verbotsverfahren gestellt wird. „Weil das ein ganz starkes Signal unserer wehrhaften Demokratie ist, dass sie sich gegen Verfassungsfeinde wehrt, dass es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen.“ Aber, so Brosius-Gersdorf, sie gebe auch Gerhart Baum, Bundesinnenminister a.D. recht, „dass damit natürlich nicht die Anhängerschaft beseitigt ist.“[6]

Siehe dazu auch: Connections.news – SPD und Verfassungsrichter

Covid-Impfpflicht-Debatte

Anfang April 2022 machte sich die Juristin für eine allgemeine Covid-Impfpflicht stark, eine Impfung mit einer neuartigen Substanz und unbekanntem Risikoprofil. Volker Rekittke schreibt dazu in seinem Kommentar:

In dem Statement konstatiert Brosius-Gersdorf „eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einführung einer Impfpflicht“ und zieht „1G“ (Zugang nur noch für Geboosterte), sowie Bußgelder und den Wegfall der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Ungeimpfte in Betracht.

Rekittke hebt vor allem folgenden Teil ihrer Stellungnahme als hoch problematisch hervor:

Nach unserer Verfassung endet die Freiheit des Einzelnen dort, wo die Freiheit anderer beginnt. D. h., die Freiheit der Ungeimpften endet dort, wo sie die Freiheit der Geimpften beeinträchtigen.[7]

Selbstbeteiligung von Nicht-Geimpften bei Behandlung

Aufschlussreich war Brosius-Gersdorfs Haltung auch in der Frage der Reduzierung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung während der Covid-Zeit. Es wurde darüber diskutiert, ob Nicht-Covid-Geimpfte im Falle einer Erkrankung an den Kosten ihrer Krankenbehandlung beteiligt werden sollen. Auf dem Blog Gesundheitsrecht hieß es im Februar 2023, verfasst durch Frauke Brosius-Gersdorf und Nicole Friedlein, dass die stationäre Behandlung einer akuten Coronainfektion im Fall einer künstlichen Beatmung „durchschnittlich 32.000 bis 33.000 Euro“ kosten würde. „Der hohe Bedarf an Long-Covid-Therapien wird die GKV vor weitere wirtschaftliche Belastungen stellen.“[8]

Das allerdings widerspricht geltendem Recht. Im Sozialgesetzbuch ist vorgesehen, dass Patienten an den Behandlungskosten beteiligt werden können, aber nur dann, wenn „sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen“ haben.[9] In Brosius-Gersdorfs Blog-Beitrag steht:

Für den nach § 52 I Alt. 1 SGB V erforderlichen Vorsatz genügt es, wenn der Versicherte die Nichtimpfung und den Krankheitseintritt billigend in Kauf nimmt. Es genügt nicht, wenn der Versicherte grob fahrlässig auf das Ausbleiben der Krankheit vertraut.

Aufgrund der breiten Aufklärungs- und Informationskampagnen, so heißt es weiter, lasse sich von einem allgemeinen Bewusstsein in Bezug auf die Schutzwirkung der Impfung und der Gefahren einer Coronainfektion ausgehen.

Der Versicherte legt zudem mit der Nichtimpfung ein besonders gefährliches Verhalten an den Tag, sodass sich argumentieren lässt, dass er auf das Ausbleiben einer behandlungsbedürftigen Coronainfektion nicht vertrauen darf. Allerdings mag man wegen des durch Subjektivität geprägten Wesens des Vorsatzes dagegenhalten, dass der Schluss auf den Vorsatz anhand der objektiven Gefährlichkeit des Verhaltens problematisch ist.[10]

Plagiatsvorwurf

Am 04. August 2025 erschien in der Bildzeitung ein Artikel zu einem wahrscheinlichen Promotionsbetrug: „´Plagiatsjäger´ gegen Brosius-Gersdorf“. Stefan Weber behauptet dort, dass die Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf „mindestens teilweise von ihrem Ehemann verfasst sein soll. In einem Interview mit der Welt vom 05. August 2025 spricht Weber konkret von „91 Stellen, die sehr eindeutig darauf hinweisen, dass eine Mitautorschaft in dieser Dissertation gegeben ist, weil diese Textparallelen auf ältere Arbeiten von Hubertus Gersdorf hinweisen“.[11] Gegenüber der Bild-Zeitung sagte auch Rechtswissenschaftler Prof. Roland Schimmel, es gebe „augenfällige Textparallelen“. Das sei „ganz sicher kein Zufall“.[12]

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