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Enquete-Kommission Corona

Auswahl der Sachverständigen: Prof. Stefan Kluge

Am 08. September 2025 hat die kürzlich vom Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Corona“[1],[2] ihre Arbeit aufgenommen. Offizieller Auftrag ist, „die Corona-Pandemie umfassend aufzuarbeiten und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse zu ziehen“. Wer ist als Sachverständiger geladen? Connections.news wirft einen Blick auf die Experten und hinterfragt deren Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit bezüglich der Corona-Maßnahmen. Im Porträt: Der Hamburger Intensivmediziner Prof. Stefan Kluge, Sachverständiger auf Wunsch der CDU/CSU-Fraktion.

Corona Enquete Sachverständiger der CDU - Kluge
Stefan Kluge, Leiter Intensivmedizin UKE, auf einer Pressekonferenz (@ IMAGO / Chris Emil Janßen)

Prof. Stefan Kluge, Sachverständiger der CDU

Von Beginn der Corona-Zeit an spielte Stefan Kluge eine maßgebliche Rolle bei der Beeinflussung der Politik und der Öffentlichkeit hinsichtlich der vermeintlichen Gefahren und bei der Erstellung von Empfehlungen zur Therapie von Covid-19. Auffällig dabei ist: Kluge weist vielfältige und langjährige Verbindungen zu Pharma- und Medizintechnik auf, darunter Unternehmen wie der Covid-19-Impfstoff-Hersteller Pfizer, MSD, Gilead und Fresenius Medical Care. Das wirft Fragen zu Interessenkonflikten auf.

Seit 2009 ist Kluge Direktor die Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Kluges wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf Sepsis und akutes Lungenversagen, auch akutes Atemnotsyndrom genannt (Acute respiratory distress syndrome, ARDS), Lungenersatzverfahren (z. B. ECMO), Reanimation, Invasive Mykosen (Pilzinfektionen), COVID-19-Therapien und -Leitlinien.
Kluge ist unter anderem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN) und war während der Corona-Jahre Mitglied des Präsidiums der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin  (DIVI).[3],[4]

Frühjahr 2020:
Kluge pro invasive Beatmung (ECMO)

Kluge war federführender Autor einer sogenannten S1-Leitlinie „Empfehlungen zur Therapie von Patienten mit COVID-19“, die im Frühjahr 2020 in Windeseile erstellt und bereits im Juni 2020 von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) veröffentlicht worden war. Normalerweise dauert die Erstellung einer Leitlinie mehrere Jahre. Die von Kluge vorangetriebene Leitlinie sollte als evidenzbasierte Handlungsanweisung für Ärzte in Kliniken und Intensivstationen dienen und wurde im Laufe der Corona-Zeit aktualisiert.[5] Die ursprüngliche Leitlinie ist auf der Seite der DIVI nicht mehr abrufbar, aber bei Springer.com. In der ersten Version vom März 2020 war zu lesen:

Die invasive Beatmung (ECMO) und wiederholte Bauchlagerung sind wichtige Elemente in der Behandlung von COVID-19 Patienten mit schwerem Sauerstoffmangel im Blut.[6]

Der Lungenfacharzt Thomas Voshaar, bis 2023 Chefarzt der Lungenklinik im Bethanien-Krankenhaus in Moers,[7] nannte die invasive Beatmung jedoch eine fatale Übertherapie. Im März 2023 veröffentlichte er mit Kollegen eine Studie,[8] die belegt, dass bis zu 20.000 Covid19-Patienten in Deutschland nicht hätten sterben müssen, wenn sie weniger stark beatmet worden wären. „Es gibt für invasive Beatmung richtig viel Geld. Die stationären Behandlungskosten liegen durchschnittlich bei 5000 Euro, maschinelle Intensivbeatmung kann dagegen mit 38.500 Euro abgerechnet werden, im Einzelfall sogar mit 70.000 Euro. Das ist etwa sieben- bis zehnmal mehr, als die schonende Behandlung mit Sauerstoff über die Maske.“[9]

Unklar ist, was Kluge dazu bewogen hat, die invasive Beatmung per ECMO in der ersten Version der Leitlinie als „wichtiges Element der Behandlung“ zu empfehlen. Fest steht zweierlei: Kluge hat in den vergangenen Jahren Geld von Fresenius Medical Care erhalten. Mal für Beratertätigkeiten, mal für Vorträge, mal für Reisekosten.[10] Und: Fresenius Medical Care hat am 25. Februar 2020 (!) in den USA die Zulassung für Novalung erhalten. Novalung sei „das erste sogenannte ECMO-System, das für eine mehr als sechsstündige extrakorporale Lebenserhaltungstherapie in den USA zugelassen ist“, teilte das Unternehmen damals freudig mit.[11] ECMO steht für „Extracorporeal Membrane Oxygenation“. Bei dem Verfahren wird das Blut des Patienten außerhalb des Körpers mit Hilfe eines Geräts mit Sauerstoff angereichert. ECMO wurde als Therapie-Prinzip vor Jahrzehnten erfunden. Es birgt erhebliche gesundheitliche Risiken und wird stetig weiterentwickelt. Der Nutzen ist umstritten.[12]

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Herbst 2020:
Kluge warnt vor Krankenhausüberlastung

Kluge schürte frühzeitig in der Öffentlichkeit Angst, indem er von einer drohenden Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen sprach.[13] Die Corona-Lage sei „absolut besorgniserregend“, verkündete er im Oktober 2020. „Wir müssen diesen Trend stoppen, die Politik muss handeln“, sagte er damals mit Blick auf die neuen Kontaktbeschränkungen. „Uns bleibt keine andere Wahl.“ Über 70-Jährige hätten „ein Todesrisiko von über 50 Prozent“, so Kluge. Im November 2021 sprach er gegenüber der Deutschen Welle von einer „latenten Triage“, also von einer Situation, bei der Krankenhäuser „zum Beispiel einen Schlaganfallpatienten oder einen Patienten mit einer akuten Leukämie“ nicht mehr aufnehmen könnten, weil die Behandlungskapazitäten nicht ausreichen. „Genau das findet schon statt“, so Kluge damals.[14] Es sei aber „unglaublich schwer zu entscheiden, welche Operationen verschoben werden sollen und welche nicht“. Und dabei gehe es nicht um Hüftoperationen, unterstrich Kluge, sondern zum Beispiel „um dringende Gefäßoperationen, bei denen ein Blutgefäß platzen könnte.“
Erstaunlich: Schon ein paar Monate vorher, im März 2021, berichtete die Technische Universität Berlin in Bezug auf eine Analyse von Krankenhausdaten von einer „historisch niedrigen Bettenauslastung“.

Im Jahr 2020 sind in deutschen Krankenhäusern 13 Prozent weniger abgerechnete Behandlungsfälle registriert worden als im Jahr 2019. In der Zeit vom 9. März bis 24. Mai 2020, das ist die Zeit des ersten Lockdown, sanken die Fallzahlen sogar um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. (…) Lag die Bettenauslastung 2019 noch bei 75,1 Prozent, erreichte sie 2020 ein historisches Allzeittief von 67,3 Prozent.[15]

Prof. Dr. Reinhard Busse

Frühjahr 2021:
Kluge fordert harten Lockdown

Im März 2021 forderte Kluge einen harten Lockdown.[16] Gegenüber der BILD sagte er:

Wir brauchen die Ausgangsbeschränkungen und andere Elemente der Notbremse sofort. In Hamburg sieht man, dass die Menschen das annehmen. Die Zahlen müssen runter, sonst können wir es bald nicht mehr ausbalancieren.[17]

Kassenärztechef Andreas Gassen dagegen hatte bereits im Januar 2021 gegenüber BILD resümiert, „der Lockdown, der jetzt seit Anfang November anhält, hat quasi nichts gebracht.“[18] Im März 2025 berichtete die Deutsche Welle dann:

Die Lockdowns während der Corona-Pandemie haben bei vielen Jugendlichen psychische Auswirkungen hinterlassen. Auch fünf Jahre danach leiden viele vermehrt unter Angstzuständen, Konzentrationsproblemen und Depressionen.[19]

Kluge: Pro Covid-19-Impfpflicht für alle Erwachsenen

Im November 2021 sprach sich das Präsidium der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), dem auch Stefan Kluge damals angehörte, geschlossen für eine allgemeine Covid-19-Impfpflicht aller Bürger über 18 Jahre aus.[20]

Durch die Einführung einer Impfpflicht für Erwachsene können (…) weitere Ausbruchswellen wirksam verhindert und damit der Weg zur Pandemiebewältigung geebnet werden.

In den Covid-Protokollen des Robert-Koch-Instituts vom 05. November 2021 stand jedoch:

In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften, gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden? (…) Dient als Appell an alle, die nicht geimpft sind, sich impfen zu lassen. Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden. [21]

Die Organisation „Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung schreibt dazu:

Keiner der aktuellen COVID-Impfstoffe verringert in relevantem Maße das Risiko, andere Menschen anzustecken. Damit fehlt der allgemeinen wie der einrichtungsbezogenen Impfpflicht jede wissenschaftliche Grundlage, denn letztere bietet keinen zusätzlichen Schutz der Betreuten.“[22],[23] (…) Die allgemeine Corona-Impfpflicht ist verfassungswidrig.“[24]

Enquete-Kommission Corona: „transparent und selbstkritisch“

Dem Gremium gehören 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige an. Bis Mitte 2027 soll das Gremium dem Bundestag einen Bericht mit Empfehlungen für künftige Krisen vorlegen.[25] Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) nannte es einen „überfälligen Schritt“.[26] Die Aufarbeitung solle sehr gründlich, transparent und selbstkritisch sein. Eine Enquete-Kommission ist mit deutlich schwächeren Rechten ausgestattet als ein Untersuchungsausschuss (UA). Letzterer dient der Aufklärung von Missständen im öffentlichen Sektor. Die Ausschusskommission kann ausgewählte Zeugen und Sachverständige laden und befragen. Mit dem sogenannten Erzwingungsrecht kann der UA das Erscheinen von Zeugen erzwingen oder die Herausgabe von nicht öffentlichen Unterlagen veranlassen. Wie wirksam ein UA sein kann, zeigt zum Beispiel der aktuelle Untersuchungsausschuss in Sachsen, bei welchem unter anderem der Virologe Christian Drosten[27] geladen wurde und offenbar eigene Äußerungen aus der Corona-Zeit leugnet.

Paxlovid-Skandal und Empfehlung

Im Dezember 2021, kurz nach Amtsantritt von Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister, kaufte derselbe 1 Million Packungen des antiviralen Medikaments Paxlovid (Hersteller: Pfizer) ein. Lauterbach sprach von einer “Wunderwaffe“. Kosten: 650 Euro pro Packung, laut Recherchen von WDR, NDR, SZ. Gesamtkosten für 1 Million Packungen: rund 650 Millionen Euro. Das Medikament war per Notfallzulassung auf den Markt gekommen.[28] Paxlovid wurde kostenlos an Apotheken verteilt, um angeblich schwere Verläufe bei Risikopatienten zu verhindern. Aber das Medikament war ein Ladenhüter, ca. 420.000 Packungen (Wert: rund 273 Millionen €) blieben ungenutzt, bevor sie verfielen. Zudem bereicherten sich einige Apotheken. Allein in Bayern steht offenbar ein Schaden von rund 2,6 Millionen Euro im Raum, berichtet die bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG).[29]
In der bereits erwähnten S3-Leitlinie „Empfehlungen zur Therapie von Patienten mit COVID-19“, an deren Entwicklung Prof. Stefan Kluge federführend beteiligt war, wurde Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir) deutlich empfohlen.

Evidenzbasierte Empfehlung: Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid) sollte bei Personen mit einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf* in der Frühtherapie (innerhalb der ersten 5 Tage) eingesetzt werden.

Diese Empfehlung findet sich bis heute in der Leitlinie[30], obwohl das Schriftwerk inzwischen bereits überarbeitet worden ist. Eine Untersuchung, über die das Deutsche Ärzteblatt im Februar 2025 berichtete, ergab:

Paxlovid: Vermutlich kein Effekt auf Mortalität und Hospitalisierung bei älteren Geimpften mit COVID-19. (…) Ein ähnlicher Trend wurde zuvor schon bei geimpften Erwachsenen mittleren Alters beobachtet.[31]

Kluge, Paxlovid und Interessenkonflikte?

In dem Statement „Die Hürden der COVID-19-Arznei Paxlovid im ambulanten Bereich“, veröffentlicht im September 2022 unter sciencemediacenter.de, spricht sich Kluge für eine bestimmte Risikogruppe für Paxlovid (Hersteller: Pfizer) aus. Und er gibt an, unter anderem Vertrags-und Beraterhonorare der Firma Pfizer, Produzent des BioNTech/Pfizer-Covid-Impfstoffes, erhalten zu haben.

Ich erhielt Forschungsunterstützung der Firmen Cytosorbents und Daiichi Sankyo. Ich erhielt Vortragshonorare der Firmen Biotest, Daiichi Sankyo, Fresenius Medical Care, Gilead, Mitsubishi Tanabe Pharma, MSD, Pfizer und Zoll. Ich erhielt Beraterhonorare von Fresenius, Gilead, MSD und Pfizer.[32]

September 2025:
Impfung sei „zentraler Baustein um Pandemie zu überwinden“

Am 22. September 2025, in der Sitzung der Enquete-Kommission zur „selbstkritischen und transparenten“ Aufarbeitung der Corona-Pandemie sagte Stefan Kluge (bei 1:41:45):

Wir haben ja gelernt, dass die Impfung ein zentraler Baustein war, um die Pandemie zu überwinden, die Kommunikation war aber nicht ganz einfach.[33]

Corona Positionen Stefan Kluge

(Grafik durch Anklicken vergrößern)

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